Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Meister Antifer's wunderbare Abenteuer

Meister Antifer's wunderbare Abenteuer

Titel: Meister Antifer's wunderbare Abenteuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
Vom Netzwerk:
blieb der sonst so geschwätzige Meister Antifer stumm wie ein Fisch. Er vergaß sogar, von allen Gerichten zuzulangen und blieb nur länger mit dem Nachtisch beschäftigt, indem er ganz maschinenmäßig einige Dutzend Strandschnecken verzehrte, die er mittelst einer langen Nadel mit kupfernem Kopfe aus ihren grünlichen Schalen angelte.
    Juhel sprach ihn mehrmals an; er antwortete nicht.
    Enogate fragte, was ihm fehle; er schien sie gar nicht zu hören.
    »Aber, Bruder, was hast Du denn nur?.. sagte Nanon, als er schon aufstand, um nach seinem Stübchen zu gehen.
    – Ach, mich schmerzt ein Weisheitszahn, das ist alles!« antwortete er.
    Da dachte jeder im Stillen, zu frühzeitig sei es gerade nicht, ihn auf seine alten Tage endlich »weise« zu machen.
    Ohne seine Pfeife anzuzünden, die er sonst den lieben langen Tag über auf dem Walle zu rauchen liebte, stieg er die Treppe hinan und sagte den Seinigen nicht einmal Gute Nacht.
    »Dem Onkel steckt etwas im Kopfe! bemerkte Enogate.
    – Was könnte er denn wieder haben? murmelte Nanon, den Tisch abräumend.
    – Wir werden wohl den Herrn Tregomain holen müssen,« meinte Juhel.
    In der That fühlte sich Meister Antifer jetzt mehr gepeinigt und von Unruhe verzehrt, als je vorher in seinem Leben, seit er jenen unentbehrlichen Boten erwartete. Er quälte sich mit der Frage ab, ob er wohl bei seinem Gespräche mit Ben Omar die nöthige Geistesgegenwart und Schlauheit bewahrt habe. Vielleicht war es doch thöricht gewesen, so kategorisch aufzutreten, den Mann zu hänseln, statt ihn gefügig zu machen und die Hauptpunkte der Angelegenheit in Ruh’ und Frieden zu besprechen. Auch daß er jenen einen Spitzbuben, einen Schelm, ein Krokodil genannt und mit ähnlichen liebenswürdigen Titeln bezeichnet hatte, wollte ihm jetzt nicht ganz richtig erscheinen. Er hätte sein Interesse besser wahrnehmen, hätte handeln, die Sache in die Länge ziehen und sich stellen sollen, als wolle er den Brief ausliefern und als sei ihm dessen Werth unbekannt. Warum mußte er auch gleich fünfzig Millionen verlangen! Daß jener Brief das werth war, unterlag bei ihm keinem Zweifel. Immerhin hätte er die Sache geschickter anfangen sollen. Der Notar konnte sich ja schwer verletzt fühlen und die Lust verloren haben, sich einem solchen Empfange noch einmal auszusetzen. Und wenn der seinen Koffer packte, von Saint-Malo abfuhr und nach Alexandria zurückkehrte, dann blieb sein Räthsel ebenso ungelöst wie früher, und Meister Antifer hätte seiner Länge nach Aegypten nachlaufen können.
    Beim Niederlegen verabreichte er sich denn auch eigenhändig einige tüchtige Ohrfeigen. Die Nacht über konnte er kein Auge schließen. Am Morgen war er fest entschlossen, den Cours zu wechseln, Ben Omar aufzusuchen, ihn durch einige freundliche Worte für die gestrigen Grobheiten zu entschädigen und sich mit ihm unter annehmbaren Bedingungen zu einigen….
    Als er beim Ankleiden um acht Uhr morgens alles noch einmal überlegte – siehe, da öffnete der Frachtschiffer vorsichtig die Zimmerthür.
    Nanon hatte nach ihm geschickt, und der vortreffliche Mann war gekommen, den Unmuth des Nachbars auf sich abladen zu lassen.
    »Was führt Dich denn hierher, Kapitän?
    – Eh… die Fluth war’s, alter Freund, antwortete Gildas Tregomain in der Hoffnung. den Brausekopf damit ein Lächeln abzuzwingen.
    – Die Fluth?… versetzte dieser mürrisch. Ich sage Dir, bei mir ist Ebbe, und die wird mich auf der Stelle forttragen.
    – Du willst also ausgehen?
    – Ja wohl, mit oder ohne Deine Erlaubniß, Du Frachtfuhrmann!
    – Wohin denn?…
    – Wohin es mir beliebt.
    – Das versteht sich, nirgends andershin. Du willst mir also nicht sagen, was Du vorhast?…
    – O, ich will eine Dummheit wieder gut machen….
    – Oder sie vielleicht noch verschlimmern?«
    Obwohl diese Antwort nur so hingeworfen wurde, schien sie dem Meister Antifer doch zu Herzen zu gehen. Er beschloß also, seinen Freund in die Lage der Dinge einzuweihen. So erzählte er ihm denn, beim weitern Ankleiden, sein Zusammentreffen mit Ben Omar und sprach von den Bemühungen des Notars, ihm sein Geheimniß zu entlocken, ebenso, wie von seiner, wohl etwas übertriebenen Forderung von rund fünfzig Millionen für den bewußten Brief.
    »Da hat er sich wohl aufs Abhandeln gelegt? meinte Gildas Tregomain.
    – Vielleicht, wenn er Zeit dazu gehabt hätte. Ich wandte ihm aber sofort den Rücken, und das war vielleicht unrecht.
    – Meine ich auch. Der Notar ist

Weitere Kostenlose Bücher