Meister Antifer's wunderbare Abenteuer
Gefängniß von Kairo schmachtete, waren freilich sehr hart, dazu hatte man ihn auch vom Kapitän Zo getrennt, auf dessen Discretion er jedoch unerschüttert baute. Durch die Gefälligkeit eines Wärters gelang es ihm endlich, im Jahre 1842, einige Briefe an verschiedene Personen abgehen zu lassen, mit denen er irgendwie in Verbindung stand – unter anderen auch einen an Thomas Antifer in Saint-Malo – gleichzeitig ging ein Päckchen mit seinem Testamente an Ben Omar, der früher in Alexandrien sein Rechtsbeistand gewesen war.
Seit 1845, wo der Kapitän Zo verschied, war Kamylk-Pascha nun noch der Einzige, der die Lage des Eilandes kannte, das seine Schätze barg. Seine Gesundheit fing jetzt aber an zu leiden, und die strenge Hast konnte nur dazu beitragen, ein Leben abzukürzen, das sonst gewiß noch eine lange Dauer versprochen hätte. Im Jahre 1852 nach achtzehnjährigem Kerker starb er endlich, vergessen von denen, die ihn gekannt hatten, im zweiundsechzigsten Lebensjahre, doch ohne daß weder Drohungen noch grausame Behandlung ihm sein Geheimniß hatten entreißen können.
Im nächsten Jahre folgte ihm sein unwürdiger Vetter in das Grab nach, ohne von dem ungeheuren Reichthum etwas genossen zu haben, nach dem er verlangte und um deswillen er selbst ein Verbrechen nicht gescheut hatte.
Murad hinterließ aber einen Sohn, jenen Saouk, der die schlechten Eigenschaften seines Vaters alle geerbt hatte. Trotz seiner dreiundzwanzig Jahre hatte er doch schon ein recht wildes, schamloses Leben hinter sich, denn er gehörte den politischen Banditen an, die damals Aegypten durchstreiften. Als einziger Erbe Kamylk-Paschas wäre dessen Vermögen nun an ihn gekommen, wenn jener es seiner Habsucht nicht zu entziehen gewußt hätte. Seine Wuth kannte deshalb auch gar keine Grenzen, als mit dem Tode Kamylk-Paschas – seiner Meinung nach – auch jeder Anhaltspunkt dafür verschwunden war, wo sich die ungeheuren Schätze seines Onkels befinden möchten.
So verliefen zehn Jahre, und Saouk hatte bereits darauf verzichtet, je zu erfahren, was aus der ihm entgangnen Erbschaft geworden sei.
Wie erstaunte er aber, als ihm mitten in seinem Abenteurerleben eine Nachricht zukam – eine Nachricht freilich, die ihn wieder in zahllose unerwartete Abenteuer verwickeln sollte.
In den ersten Tagen des Jahres 1862 erhielt Saouk nämlich einen Brief mit der Aufforderung, sich im Bureau des Notars Ben Omar wegen einer wichtigen Angelegenheit einzufinden.
Saouk kannte diesen Notar als ein furchtsames Männchen, mit dem ein entschlossener Charakter alles mußte anfangen können, was ihm beliebte. Er begab sich also nach Alexandrien und fragte Ben Omar sehr brutal, mit welchem Rechte er sich erlaubt habe, ihn nach seinem Bureau zu verlangen.
Ben Omar empfing seinen Clienten, den er zu allem fähig wußte, mit tiefster Ehrerbietung, versah er sich’s doch, womöglich gleich von dem Raufbolde erwürgt zu werden. Er entschuldigte sich wegen der ihm verursachten Störung und erklärte mit verbindlicher Stimme:
»Ist es nicht der einzige Erbe Kaniyik-Paschas, an den ich mich in Ihrer werthen Person gewendet habe?
– Natürlich der einzige Erbe, rief Saouk, da ich der leibliche Sohn Murad’s bin, der der Vetter des Erblassers war.
– Wissen Sie bestimmt, daß es nicht noch einen andern erbberechtigten Verwandten Ihres seligen Onkels giebt?
– Keinen Menschen. Kamylk-Pascha hatte keinen andern Menschen als mich. Es fragt sich nur, wo ist die Erbschaft?
Dieser schreckliche Mann war kein andrer als Saouk. (S. 77.)
– Hier… zur gefälligen Verfügung Eurer Excellenz.«
Saouk ergriff das versiegelte Packetchen, das ihm der Notar hinhielt.
»Was enthält dieses Papier? fragte er.
– Das ist das Testament Kamylk-Paschas.
– Und wie kommt das in Deine Hände?…
– Er hat es mir mehrere Jahre nach seiner Gefangensetzung im Fort Kairo zugehen lassen.
– Wann war das?
– O, schon vor zwanzig Jahren.
– Vor zwanzig Jahren! rief Saouk. Jetzt ist er bereits seit zehn Jahren todt… und Du hast gewartet…
– Lesen Sie selbst, Excellenz.«
Saouk las eine Bemerkung auf dem Umschlag des Packetes. Danach war bestimmt, daß das Testament nicht früher als zehn Jahre nach dem Ableben des Testators eröffnet werden dürfe.
»Kamylk-Pascha starb im Jahre 1852, sagte der Notar, jetzt schreiben wir 1862, und da hab’ ich mir gestattet, Euer Excellenz einzuladen….
– Verdammter Formelkrämer! stieß Saouk hervor. Schon
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