Meister Antifer's wunderbare Abenteuer
werden.
Fünftes Capitel.
Worin Ben Omar Gelegenheit findet, die beiden Arten des Fortkommens, zu Wasser und zu Lande, genügend zu vergleichen.
Jener Zeit war das tunesische Bahnnetz, das jetzt mit dem algerischen in Verbindung steht, noch nicht in Betrieb. Unsre Reisenden konnten also erst von Bona aus die Eisenbahn benützen, die die Provinzen Constantine, Algerien und Oran verbindet.
Am frühen Morgen hatte Antifer mit seinen Gefährten die Hauptstadt der Regentschaft verlassen. Natürlich war der Banquier Zambuco von der Partie und hatte es Ben Omar mit seinem Anhängsel Nazim nicht versäumt, sich jenen anzuschließen. Eine richtige Karawane von sechs Personen, die diesmal genau wußten, wohin der unersättliche Millionenhunger sie entführte. Es hatte ja kein Grund vorgelegen, daraus Ben Omar gegenüber ein Geheimniß zu machen, und so war es auch Saouk nicht unbekannt geblieben, daß der Zug zur Aufsuchung des Eilands Nummer Zwei den weiten Busen von Guinea, der unter der linken Hüfte Afrikas die Gegend von Loango einschließt, zum Schauplatz haben würde.
»Da haben wir eine hübsche Strecke vor uns, hatte Juhel zu Ben Omar gesagt, und Ihnen steht es frei, davon zurückzubleiben, wenn Sie die Mühseligkeiten der neuen Reise fürchten.«
Von Algier bis Loango sind freilich verschiedene hundert Meilen zurückzulegen.
Ben Omar hatte jedoch nicht gezögert, mit abzureisen, und Saouk hätte ihm das wohl verwehrt. Dazu auch noch die glänzende Provision, die seine Augen blendete….
Am 24. April nahmen also Meister Antifer, der Gildas Tregomain und Juhel, Saouk, der Ben Omar, und Zambuco, der sich selbst mitschleppte, die Plätze des Postwagens ein, der zwischen Tunis und Bona verkehrt. Vielleicht wechselte man unterwegs kein Wort, doch jedenfalls reiste man zusammen.
Vergessen wir nicht zu bemerken, daß Juhel am Vorabend noch einen Brief an Enogate abgesendet hatte. Binnen wenigen Tagen mußten das junge Mädchen und ihre Mutter wissen, an welchem Punkte der Erde Meister Antifer sein berühmtes Legat, das nun auf fünfzig Procent zusammengeschmolzen war, zu erheben gedachte. Die Dauer dieses zweiten Theiles der Reise konnte nicht wohl geringer, als einen Monat geschätzt werden, und die Verlobten durften also auf ein Wiedersehen vor der zweiten Hälfte des Mai nicht hoffen. Das würde auf Enogate leider recht niederschlagend wirken! Doch wenn sie nur voraussehen konnte, daß bei der Rückkehr auch alle früheren Hindernisse ihrer Eheschließung geebnet wären…. Auf einen solchen Onkel war freilich kein Verlaß!
Was Gildas Tregomain angeht, beschränken wir uns auf die Bemerkung, daß es nun gar in seinem Schicksalsbuch geschrieben stand, daß er den Aequator überschreiten mußte. Er, der Schiffer von der Rance, schwamm auf den Meeren der südlichen Halbkugel! Das Leben bereitet einem aber einmal solche Ueberraschungen. daß der gute Mann nun bald über nichts erstaunte – vielleicht nicht einmal mehr darüber, daß in den Eingeweiden des Eilandes Nummer Zwei die drei berühmten Fässer Kamylk-Paschas aufgefunden würden.
Diese Gemüthsstimmung hinderte ihn indeß nicht, einen Blick auf das merkwürdige Land zu werfen, das sie mit der Post durchfuhren – das Land, das den Ebenen der Bretagne, und auch den mehr hügligen derselben, so wenig ähnelte. Vielleicht war er von den sechs Reisenden aber der einzige, der daran dachte, sich eine Erinnerung an die verschiedenen tunesischen Landschaften zu bewahren.
Das etwas unbequeme Gefährt rollte nur langsam dahin. Von einem Relais zum andern trotteten sich seine drei Pferde ziemlich müde auf der unebenen Straße, die – vor allem in dem malerischen Theile von Medjerdah – alpenartige Steigungen mit engen Windungen und rauschende Bergbäche ohne Brücken hatte, so daß das Wasser zuweilen bis an die Wagenachsen heranreichte.
Das Wetter war schön, der Himmel tiefblau – wie gesotten von der ungeheuern Hitze der Sonne.
Der Barda, der Palast des Bey, der zur Linken sichtbar wurde, leuchtete in so reinem Weiß, daß man ihn nur mit angeblakten Gläsern ansehen konnte, ebenso andre Paläste, die in Dickichten von Feigen-und Pfefferbäumen versteckt lagen, welche mehr Trauerweiden mit zur Erde herabhängenden Zweigen glichen. Da und dort zeigten sich Gurbis (arabische Hütten) mit gelbstreifigem Leinendache, unter dem Araberfrauen mit ernsten Gesichtszügen und bräunliche Kinderköpfe, die nicht weniger ernst als ihre Mütter aussahen, hervorlugten.
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