Meister der Assassinen
konnte und erst recht keine Straßenlaterne. Dann erwachten die Schatten, die sich einen Spaß daraus machten, sich hinter den Pfählen zu verstecken und dann von Lichtkreis zu Lichtkreis zu hüpfen. Manchmal sprangen sie neben Laura her, und sie konnte sie grinsen sehen; ein weißer Fleck mit nach oben gezogenen Mundwinkeln.
Sie konnten ihr nichts tun, aber Laura war es dennoch unangenehm. Zum einen aus dem Grund, weil niemand sonst die Schatten sah, und zum Zweiten, weil sie genau deswegen mit niemandem darüber reden konnte. Und zum Dritten - es gab noch andere, die sehr unangenehm werden konnten. Sie kamen aus dunklen Gassen hervor, die Laura passierte, wo sie in Mülltonnen herumgekramt und den Katzen einen Knoten in den Schwanz geknüpft hatten. Sie flossen an der Hauswand entlang, folgten ihr, und manchmal bliesen sie sich sehr groß auf und rissen einen Riesenrachen auf, der so tat, als würde er sie verschlingen. Bei ihrem Schatten an der Wand hatte er damit Erfolg. Wenn Laura dann losrannte, folgte ihr ein kopfloser Schatten.
Das war einfach nur scheußlich.
Und wenn es wenigstens dabei geblieben wäre, dachte Laura. Aber dann fing es mit diesen elektronischen Sachen an.
Zunächst dachte sich niemand etwas dabei. In der Schule gab es nun einmal nicht gerade die neuesten und modernsten Computer, und Abstürze waren nicht selten. Bis Tommy Laura seine neueste bearbeitete Grafik zeigen wollte. Sie stellte sich neben ihn und stützte die Hand auf der Tischplatte auf. Zapp. Und der Schirm wurde dunkel.
Tommy schlug die Hände über dem Kopf zusammen. »Was hast du getan?«
»Wieso ... nichts ...«
Tommy raufte sich die Haare. »Was heißt hier nichts? Das Teil ist abgekackt, und zwar voll! Und meine Grafik ist weg! Futsch! Ruiniert!«
»Wenn du neu startest, brauchst du sie doch nur aufzurufen.«
»Ich hatte sie noch nicht gespeichert!«
»Aber warum denn nicht?«
»Hör auf damit!«, schrie Tommy sie an. »Das ist alles nur deine Schuld! Hau bloß ab und komm mir nie mehr zu nahe!«
Der Lehrer ermahnte Tommy, sich nicht so aufzuführen, aber die Scharte war geschlagen. Nicht viel später kam es zum nächsten Vorfall - Laura ging ins Direktionssekretariat, weil sie etwas abholen sollte. Zapp.
Es sprach sich herum, denn auf einmal wussten viele von merkwürdigen Vorfällen zu berichten, die immer dann passierten, wenn Laura in der Nähe war. Und was ihr selbst immer passierte, danach brauchte man gar nicht erst zu fragen. Wessen Hose brach im Sport bei der ungünstigsten Bewegung auf? Wer hatte den Kleber im Haar, als ein anderer sich versehentlich auf die Tube setzte? Wer warf bei dem Versuch, einen Spickzettel zu verstecken, gleich die ganze Tasche um und machte auf sich aufmerksam?
Das Ergebnis war: Als Laura morgens in die Klasse kam, prangte an der Tafel eine Zeichnung des berühmtesten vom Pech verfolgten Enterichs der Welt, im Matrosenanzug und mit Matrosenkäppi, aber Stöckelschuhen und einer Kette, auf der »Laura« stand.
Donalda, die Pechvogelin, war geboren.
An der Uni ging es natürlich weiter. Ich komme in den Hörsaal, und ein Windstoß wirbelt das Manuskript des Professors durcheinander.
Der Spitzname blieb wie Teer an ihr haften, und sie tat ungewollt alles dazu, dass er nicht vergessen wurde.
Und dabei, obwohl sie nun eigentlich erwachsen sein sollte, blieben ihr auch die Schatten der Vergangenheit erhalten. Manchmal, wenn Laura ein Fenster öffnete, um frische Luft hereinzulassen, war es da draußen stockdunkel, obwohl zuvor die Sonne hereingelacht hatte. Und in dieser Dunkelheit bewegte sich etwas und gab ein undefinierbares Geräusch von sich. Sobald Laura das Fenster schloss, war alles wieder in bester Ordnung. Aber wehe, sie machte dann den Spiegelschrank im Bad auf. Dann sah sie auf einmal einen Dschungel, und in dem bewegte sich ebenfalls etwas und gab kratzende Geräusche von sich.
Klappe zu, wieder auf, alles normal. Zahnpasta, Zahnbürste, Mundwasser.
Immer wenn Laura so weit war, endlich zum Therapeuten zu gehen und von ihren Wahnvorstellungen zu sprechen, spürte sie auf einmal wieder dieses warme Gefühl unter ihren Füßen, das sie sanft umhüllte und sie beruhigte.
Sie hatte nie bewusst darauf geachtet, aber nun setzte sich alles zusammen.
Eines Tages an der Uni war Zoe da, Zoe Mandel, das Supermodel, der deutsche Shootingstar. Sie sollte für eine Werbung posieren, die das Studieren an dieser und keiner anderen Universität schmackhaft machen
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