Meister der Assassinen
oder nie, denn es gibt kein Danach mehr, wenn das jetzt nicht klappt.«
»Wir hatten doch besprochen, dass wir es dann mit einem förmlichen Bettelbrief versuchen«, beharrte Milt.
»Eben. Wir klammern uns an der Alternative fest. Sie klammert sich an diesem Weg fest. Sie will ihn bewältigen - für sich. Denk nach, Milt. Hat sie sich nicht immer als Donalda, die Pechvogelin, bezeichnet? Und Zoe hat sie ebenso genannt, weil ihr immer irgendein Missgeschick passiert ist! Ich glaube, bereits ihre Eltern haben ihr den Schneid abgekauft. Deswegen zaudert sie immer, weil sie die Konsequenzen fürchtet und niemanden verletzen will.«
Milt blinzelte durch den Regenschleier. »Und deshalb will sie es sich beweisen.«
»Ich glaube schon«, stimmte Finn zu. »Sie sieht darin ihre einzige und letzte Chance. Und zugleich unsere.«
»Aber sie braucht mich. Ich könnte die Obeah-Geister rufen, und ...«
»Milt.« Finn legte eine Hand auf seinen Arm. »Es ist ihr Weg. Es war von Anfang an ihr Weg. Wir haben sie begleitet und beschützt, soweit es ging, wir haben sie bis hierher gebracht, aber nun muss sie allein weitergehen. Die Prüfungen, die sie erwarten, können wir nicht abnehmen, und sie kann sie auch nicht mit uns teilen.«
»Ich werde mir das nie verzeihen ...«, stieß Milt hervor.
»Ihr wird nichts geschehen, Milt. Sebasto hat es deutlich gemacht, und bisher ist keinem von uns etwas Ernsthaftes zugestoßen, abgesehen von Spyridon, der den Weg verlassen hat. Irgendwann stoßen wir an unsere Grenzen, und es geht nicht mehr weiter. Das ist alles. Der Meister will nicht von Leuten belästigt werden, die kein festes Ziel haben, und offenbar ist das bei dir und mir der Fall.«
»Beziehungsweise wir haben ein anderes Ziel ...« Milt presste die Lippen zusammen.
»Lass Laura ziehen. Vertrau ihr! Sie wird es schaffen. Und ansonsten kommt sie spätestens morgen zurück. Wir gehen ins Camp zwei und warten mit den anderen auf sie, und morgen können wir ihr entgegengehen, so weit wir es schaffen.«
Milt nickte langsam, so schwer es ihm auch fiel.
»Vertraust du ihr?«
Milt nickte wiederum, schwer atmend.
»Also dann.«
Rückwärtskriechend bewegten sie sich nach unten, bis der Sturm auf einmal nachließ.
Sie konnten sich aufrichten und normal bergab gehen. Genau wie von Laura vorhergesagt, verzogen sich die Wolken innerhalb weniger Sekunden, die Sonne schien wieder, und es wehte ein laues Lüftchen. Lediglich oben am Grat dräute es noch finster.
»Wenn ihr was passiert, bring ich dich um«, gab Milt ein Versprechen.
»Ich hatte mal einen Hund«, sagte Finn daraufhin. »Der war genauso ein Kontrollfreak wie du. Er musste immer alle beisammenhalten, und er wurde total nervös, sobald sich einer aus dem Kreis entfernt hat. Aber du kannst niemanden auf Dauer von der Welt fernhalten, es sei denn, du sperrst ihn ein. Willst du das?«
Milt schüttelte den Kopf. »Na ja, ein bisschen vielleicht«, gab er dann zu. »Wäre eine Bahamas-Insel okay?«
Finn klopfte ihm lachend auf die Schulter. »Komm, du verliebter Spinner. Beeilen wir uns!«
»Runter geht es immer schneller.« Milt wollte sich noch einmal umdrehen.
Finn hinderte ihn daran. »Lass. Sie. Gehen!«, sagte er streng.
»Verzeih mir, Milt«, flüsterte Laura, während sie sich Meter für Meter vorankämpfte. »Aber du kannst nicht weiter mitkommen. Ich hoffe, Finn bringt dich zur Vernunft, und ihr geht beide zurück.«
Sie durfte sich jetzt nicht umdrehen und auch nicht mehr mit Milt reden. Er musste von selbst einsehen, dass es manchmal Wege gab, die sie nicht gemeinsam beschreiten konnten. Sie waren beide nicht sonderlich erfahren in engen partnerschaftlichen Beziehungen, und sie hatte deshalb Verständnis dafür, dass Milt sie nicht verlieren wollte und sie deshalb geradezu überbehüten wollte. Dafür liebte sie ihn, weil sie wusste, er war immer für sie da. Er hatte es gerade bewiesen - es gab keinen Ausweg mehr für ihn, und dennoch wollte er ihr folgen.
Komm gut nach unten. Das war der letzte Gedanke, den sie sich in Bezug auf ihn gestatten durfte, sonst kam sie von ihrem Ziel ab. Und dann konnte auch sie nicht mehr weiter.
Der Dolch. Ich gehe nicht ohne den Dolch! Dieses eine Mal werde ich es durchziehen, ohne nach Hilfe zu schreien, ohne wegzurennen, ohne auszuweichen oder einen Handel zu schließen.
Der Sturm drückte sie nieder, aber noch kam sie vorwärts. Gebückt kroch sie weiter, nahm meistens die Hände zu Hilfe. Schließlich erreichte sie
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