Meister der Stimmen: Roman (German Edition)
fesselte. Und dieser kurze Moment reichte aus. Die Welle brüllte triumphierend auf und warf sich gegen die Schranke der Versklavung. Renaud stolperte, dann gewann er die Kontrolle zurück. Mit einem Knurren ließ er die Welle über Mirandas Kopf zusammenfallen.
Die Macht des Wassers riss Miranda von den Füßen. Sie wirbelte in dem eiskalten, dunklen Nass herum, während die Strömung sie umherwarf und ihr die Luft aus den Lungen presste. Ihre Brust brannte, während sie verzweifelt versuchte, die Reste ihres Atems in sich zu behalten, aber egal, wie sehr sie darum kämpfte, die Oberfläche zu durchbrechen, das Wasser gab sie nicht frei. Kälte kroch ihr in die Knochen, und sie verstand, dass es nicht ausgereicht hatte. Renaud hatte die Kontrolle einfach zu schnell zurückgewonnen. Aber noch während sie sank, konnte sie den Nachhall von Renauds Unsicherheit fühlen, und in den eisigen Tiefen unter sich fühlte sie ein Aufflackern von Hoffnung. Das Wasser um sie herum wurde dunkler, und Miranda drängte ihre letzte Luft in Form einer Bitte über die Lippen. Und tief in seinem Herzen, so weit wie möglich von den eisernen Wänden der Versklavung entfernt, hörte das Wasser ihr zu.
Eli setzte sich in Bewegung, sobald die Welle brach. Versklaver, König, Gregorns Erbe, wie auch immer er sich selbst nannte – Renaud war trotzdem ein Mensch, und er konnte sich nur auf eine begrenzte Zahl von Vorgängen gleichzeitig konzentrieren. Eli wusste nicht, was Miranda geritten hatte, einen Mann zu verhöhnen, der nur auf Zerstörung aus war, aber sie hatte seine volle Aufmerksamkeit auf sich gezogen, und der Dieb war entschlossen, die Gelegenheit beim Schopfe zu packen.
Eli nutzte das Wasser als Deckung und schlich sich zu dem reglosen Geisterhund.
»Köter«, flüsterte er und piekte Gin in die Seite. »Wach auf, Köter. Deine Herrin braucht dich.«
Der Geisterhund reagierte nicht. Nur die schwache Bewegung seines Brustkorbes verriet, dass er überhaupt noch lebte. Eli legte ein wenig mehr Gewicht in seine Stimme. »Gin, wach auf. Miranda wird sterben.«
Der Atem des Hundes stockte, als die Geisterstimme ihn durchfuhr, und ein Ohr drehte sich in Elis Richtung.
»Du bist ziemlich energisch, was, Magier?« Gins Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. »Ich stehe selbst kurz vor dem Tod. Wenn du genug Energie hast, um deine Tricks einzusetzen, warum rettest du sie nicht?« Der Geisterhund öffnete ein riesiges orangefarbenes Auge und richtete einen drohenden Blick auf Eli. »Wir wissen beide, dass du es kannst.«
Der Dieb verzog das Gesicht. »Würde ich ja gerne, aber der Preis für einen heldenhaften Einsatz ist mir im Moment zu hoch. Entweder du oder keiner, Köter.«
»Nicht … ganz …« Gin schloss das Auge, aber eines seiner Ohren drehte sich Richtung Wasser, und Eli sah auf.
Mirandas Körper hing schlaff in der Mitte der Welle. Auf dem Podium grinste Renaud triumphierend, aber als der Versklaver das Wasser zügelte, um sie besser ansehen zu können, riss die Spiritistin den Kopf hoch. Sie erwiderte Renauds Grinsen, und ihr Geist öffnete sich wie eine Blume.
Obwohl er keine gebundenen Geister besaß, die ihre Macht auf ihn übertrugen, trat Eli einen Schritt zurück, als ihre Seele über ihn hinwegglitt. Sie füllte den Raum, so warm und stark wie ein Wüstenwind. Da war keine Furcht, kein Zweifel, nur die geübte, kontrollierte Macht einer meisterhaften Spiritistin auf der Höhe ihrer Kraft, und diese Welle traf Renaud wie eine Woge aus Blei.
Der Versklaver fiel zu Boden und konnte sich nicht mehr bewegen. Bei so viel Macht im Raum konnte Eli fast sehen, wie Mirandas weit geöffneter Geist sich herabsenkte – nicht auf Renaud selbst, sondern auf die Kanäle der Versklavung, um so die Dämme zu brechen, die den Wassergeist gefangen hielten. Miranda nutzte die Strömungen des Wassers, um mit ihrer Seele den überanstrengten Willen des Prinzen zu zerteilen. Mit jedem Aufwallen von Mirandas Macht warf Renauds Verbindung mit dem Geist ihn wieder zu Boden, zerquetschte ihn fast auf dem Marmor. Risse erschienen in der Versklavung, und die gut kontrollierte Welle fing an zu lecken. Mit einem triumphierenden Schrei schlugen Miranda und der Wassergeist ein letztes Mal gemeinsam zu. Dann brach Renauds Wille, und das Wasser schoss explosionsartig in alle Richtungen davon.
Die Welle, die Miranda gehalten hatte, brach, und die Spiritistin landete keuchend und durchnässt neben Gin. Der Geisterhund bewegte den Kopf,
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