Meister der Stimmen: Roman (German Edition)
genug. Er öffnete die drei Schlösser, riss den Deckel auf und versenkte seine Hand in ihrem Inhalt. Seine Finger ertasteten gerade mal eine Lage Münzen, bevor sie auch schon auf einen falschen Boden trafen. Für einen Moment saß er einfach nur da und starrte vor sich hin, während die Soldaten vorwärtsstürmten. Dann faltete Eli vorsichtig das Fahndungsplakat und steckte es ein, während sich neben ihm immer mehr Pfeile in den Boden bohrten. Als er fertig war, schlug er den Deckel der Truhe zu und rannte in die Richtung, wo er Renaud zuletzt gesehen hatte, während sich eine riesige, von einem Geist getriebene Staubwolke über allem erhob.
»Eli!«, schrie Josef und blinzelte in den wirbelnden Staub. Zum Findling laufen? Im Moment hatten sie schon Glück, wenn sie ihn überhaupt fanden. Überall um ihn herum ertönten Schreie, und er konnte Pfeile über sich hinwegsausen hören, aber wo auch immer er hinsah, sah er nur Staub. Er musste kein Magier sein, um zu wissen, dass diese Wolke nicht natürlich war. Er hätte nur gerne gewusst, welchem Magier er sie zuordnen musste.
Er fühlte jemanden hinter sich und wirbelte herum, wobei er noch in der Bewegung sein Schwert zog, doch es war nur Nico. Sie presste ihre bleichen Lippen aufeinander und legte den Kopf schräg, um auf die Schwertspitze zu schielen, die nur Zentimeter vor ihrer ungeschützten Kehle schwebte. »Nervös?«
Josef seufzte und senkte seine Klinge. »Wie oft muss ich dir noch sagen, dass du das lassen sollst? Eines Tages kann ich vielleicht nicht mehr rechtzeitig innehalten.«
»Ich vertraue dir«, sagte sie.
»Schön, das zu hören, aber das ändert nichts«, er schlug einen Pfeil aus der Luft, kurz bevor er ihre Schulter treffen konnte, »an den Tatsachen.«
Plötzlich ragte ein Soldat hinter ihr auf, das Schwert bereits zum Schlag erhoben. Ohne hinzusehen, ließ Nico sich auf den Boden fallen, so dass sein eigenes Schwert ihn aus dem Gleichgewicht brachte. Als er schon halb kippte, schoss sie wieder hoch und rammte ihren Ellbogen in seinen ungeschützten Bauch. Der Schlag erwischte ihn direkt unter den Rippen, und er brach keuchend vor Josefs Füßen zusammen.
»Das wird langsam lächerlich«, sagte Josef und trat dem Soldaten die Hände weg, als er versuchte, sich wieder hochzustemmen. »Eli hat das Geld wahrscheinlich schon. Lass ihn uns einfach suchen und …«
Er erstarrte. Nico sah verwirrt auf. »Und?«
Mit einem stählernen Flüstern zog Josef sein zweites Schwert. »Nico«, sagte er ruhig, »geh und such Eli. Ich hole euch dann ein.«
Er sah sie durchdringend an, bis sie nickte und beiseitetrat, wo sie sofort im wirbelnden Staub verschwand. Er hob seine Schwerter und drehte sich zu dem Mann um, der hinter ihm stand.
»Gut geraten«, schwebte eine Stimme durch den Staub zu ihm herüber.
»Gar nicht geraten«, sagte Josef und nahm Verteidigungshaltung ein. »Einem Killerinstinkt wie deinem könnte ich noch mit verbundenen Augen folgen. Das ist etwas, was man sich aneignet, wenn man seinen Lebensunterhalt mit dem Schwert verdient.«
Der Schwertkämpfer mit der Narbe im Gesicht trat aus dem peitschenden Staub hervor. »Ich hätte von Josef Liechten nichts anderes erwarten sollen.« Er legte eine Hand auf das umwickelte Schwert an seiner Hüfte. »Mein Name ist Gerard Coriano«, sagte er beiläufig, als träfen sie sich gerade in einer Taverne und nicht auf dem Schlachtfeld, »und das hier«, er löste das umwickelte Schwert mit der Scheide von seinem Gürtel, »ist Dunea. Wir sind hier, um dich zu töten.«
»Ist das so?«, fragte Josef. »Warum machst du dir dann die Mühe, mir deinen Namen mitzuteilen?«
»Eine letzte Geste der Höflichkeit.« Coriano lächelte. »Ein echter Schwertkämpfer will den Namen des Mannes wissen, der ihn umgebracht hat. Denke stets daran, Josef Liechten.«
Auf Josefs Gesicht erschien ein raubtierhaftes Grinsen. »Ich denke nur an Dinge, die dessen auch wert sind. Also, wenn du willst, dass ich mich an deinen Namen erinnere, dann solltest du dafür sorgen, dass es der Mühe wert ist.«
Coriano streckte sein umwickeltes Schwert vor sich aus, die Klinge immer noch in ihrer hölzernen Scheide. »Jederzeit.«
Gin führte sie durch den Staub zu dem reglosen König. Miranda sprang ab und biss die Zähne zusammen, als die Landung ihre Schmerzen wieder wachrief. Der König lag auf dem Rücken und war mit gelbbraunem Staub überzogen. Sie kniete sich neben ihn und legte die Finger an seinen Hals.
»Er
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