Meister der Stimmen: Roman (German Edition)
warf Nico einen bösen Blick zu, bevor sie sich wieder Eli zuwandte. »Tritt vom König zurück und halt deine Hände so, dass ich sie sehen kann.«
»Was glaubt Ihr, was Ihr da tut, Fräulein Lyonette?«, fragte Renaud und zügelte sein nervöses Pferd.
»Der Geisterhof ist es leid, politische Spielchen zu spielen, Renaud«, sagte sie. »Meine Befehle lauteten, die örtliche Verwaltung nur so weit zu besänftigen, wie es nicht meine eigentliche Mission behindert.« Sie warf ihm einen kühlen Blick zu. »Mellinor darf sich gerne um Mellinors Probleme kümmern, Prinz, aber dieser Dieb wird sich vor uns verantworten. Und jetzt …« Sie richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf Eli. Der Bogen aus Blitzen erhob sich hoch über ihren Kopf, als sie fortfuhr: »Gib die Geisel frei und nimm die Hände hoch, Monpress.«
Eli stand mit einem frechen Lächeln auf den Lippen auf. »Und wenn ich es nicht tue?«
»Meine Befehle lauten, dich zu fangen und zum Rektor Spiritualis zu bringen.« Sie erwiderte sein Lächeln. »Aber er hat nichts darüber gesagt, in welcher Verfassung du dich befinden musst, wenn wir dort ankommen.«
Eli öffnete den Mund, um zu antworten, aber Miranda hörte ihn nicht, denn in diesem Moment entlud sich ihr Blitzgeist.
Es passierte so schnell, als hätte ein Riese ihr den Blitz von den Fingern gerissen und ihn über die Lichtung geschleudert. Die Welt gefror, und sie konnte nur entsetzt zusehen, wie Skarest mit einem ohrenbetäubenden Knall durch die Luft schoss und den König mitten in die Brust traf. König Henrith zuckte und fiel zu Boden, während ein dünner Rauchfaden aus seinem Mund aufstieg. Blitze wanden sich um ihre Finger, als Skarest in seinen Ring zurückkehrte und ihr dabei eine solche Angst übermittelte, dass ihr fast das Blut in den Adern gefror.
»Herrin!«, knisterte er. »Er war zu stark, Herrin. Ich konnte mich nicht gegen ihn wehren!«
»Wer?«, schrie Miranda, aber der Geist hatte sich bereits tief in seinem Ring vergraben.
Die Gruppe aus Mellinor war starr vor Entsetzen, und selbst Eli schien fassungslos zu sein. Nur der Prinz bewahrte Haltung und wandte sich triumphierend und hasserfüllt zu ihr um.
»Kaltblütiger Mord!«, schrie Renaud und brach damit das entsetzte Schweigen auf der Lichtung. »Die Spiritistin hat unseren König getötet! Sie schreckt vor nichts zurück! Soldaten, Angriff! Wir werden nicht zulassen, dass sie unseren König opfert, um ihre Beute zu fangen!«
Seine Worte wirkten wie ein Funke im Heuschober. Kaum hatten sie seinen Mund verlassen, als auch schon eine Horde Speermänner in den Farben des Hauses Allaze aus dem Unterholz hervorbrach und sich auf der Lichtung aufstellte.
Meister Oban wollte mit seinem Streitross zum König reiten, aber Renaud griff ihm in die Zügel. »Nein, Oban! Ich kümmere mich darum! Reite zurück zur Burg und benachrichtige die anderen!«
Oban fluchte, aber trotzdem wendete er sein Pferd und trieb es in den Wald, vorbei an der Reihe von Bogenschützen, die sich gerade am Rand der Lichtung aufstellte.
»Tötet sie alle!«, schrie Renaud und winkte die Soldaten voran. »Rächt unseren König!«
Mit einem scharfen Geräusch wurde die erste Salve losgelassen, und Miranda duckte sich tief über den Hals des Geisterhundes. »Gin!«, schrie sie. »Hol den König!«
»Bist du dir sicher?«, keuchte er und sprang vorwärts, während Pfeile über ihre Köpfe hinwegsausten. »Ich denke nicht, dass uns das helfen wird.«
»Henrith ist unsere einzige Hoffnung, wenn wir diese Situation noch retten wollen«, sagte sie, dann umklammerte sie den Anhänger unter ihrem Hemd. »Eril! Gib uns Deckung!«
Selbst ein Windgeist versteht einen echten Notfall, und Eril machte sich ohne ein Wort an die Arbeit. Innerhalb weniger Sekunden entfesselte er einen heftigen Sandsturm.
Sobald der Blitz zuschlug, wusste Eli, dass er das Geld sichern musste. Er rollte den zusammengesackten König herum und legte eine Hand an seine Kehle. Es gab einen Pulsschlag, unregelmäßig, aber stark, und Eli entschied, dass das ausreichend war. Er stieg über den König hinweg, sprang auf die Kiste zu und erreichte sie in dem Moment, als die ersten Soldaten auf die Lichtung rannten.
»Nico!«, schrie er und duckte sich unter den Pfeilen weg, die über seinen Kopf hinwegschossen. »Josef! Lauft zum Findling!«
Er fiel auf die Knie und packte die Kiste, aber sobald er sie gepackt hatte, wurde ihm mulmig. Die Holzkiste war schwer, aber bei weitem nicht schwer
Weitere Kostenlose Bücher