Meister der Stimmen: Roman (German Edition)
des Mannes in den Boden bohrte. »Ich sagte: Warte!«
Aber Coriano ging einfach weiter und verschwand wie ein Schatten zwischen den Bäumen. Josef rannte ihm ein paar Schritte hinterher, aber die Schmerzen waren zu groß. Er verzog das Gesicht, presste eine Hand auf die Brust und zog mit der anderen einen Stoffstreifen aus der Tasche, von denen er für genau solche Gelegenheiten immer einige dabeihatte. Er wickelte ihn sich um die Brust und band die Wunde so fest ab, wie es ihm möglich war. Es war ein dummer Winkel, aber für den Moment stoppte es die Blutung. Falls es ein Später geben sollte, konnte Nico den Verband dann neu wickeln. Aber die Wunde sank auf seiner Prioritätenliste schnell nach unten. Er hatte ein Klingeln in den Ohren, wie ein weit entfernter, schriller Schrei. Es erinnerte ihn an das dumpfe Summen, das er in Elis Stimme hörte, wann immer der Magier seine Zeit darauf verschwendete, mit Steinen oder Bäumen oder was auch immer zu reden – nur dass dieses Geräusch eher panisch klang und immer lauter wurde.
Als der Staub sich endgültig legte, konnte er am anderen Ende der runden Lichtung Nico erkennen, die über einem Haufen stöhnender Soldaten stand. Sie sah in die andere Richtung und beobachtete etwas. Er folgte ihrem Blick und entdeckte Eli. Ihr Dieb stand über der reglosen Spiritistin und ihrem Hund, die beide wirkten, als wären sie erledigt. Elis Aufmerksamkeit war auf den großen, blonden Anführer der Truppen aus Mellinor gerichtet. Er war außer ihnen der Einzige, der noch stand. Der Mann sagte etwas, aber Josef konnte nur dieses durchdringende Heulen hören, das eher ein Druck war als ein Geräusch. Dann öffnete der Mann seine Faust, und die Hölle brach los.
Der Schrei vertrieb jeden anderen Gedanken aus Mirandas Gehirn. Nur die stechenden Schmerzen ihrer Verletzungen und der Geschmack von Erde in ihrem Mund verrieten ihr, dass sie sich auf dem Boden wand. Trotzdem, ihre Augen waren offen, und sie beobachtete entsetzt, wie die kreischende Kugel vollkommen auseinanderbrach und zu einer schwarzen Wolke aus glitzernden Partikeln wurde. Eine Wolke, die immer weiter anwuchs.
»Miranda?« Elis Stimme durchdrang ihre Panik. Sie fühlte seine Hände kaum, als er ihre Schultern packte und sie auf die Beine zog, aber seine Stimme war klar und eindringlich. Doch auch in ihrer Verwirrung verstand sie, dass er mit ihr sprach, als wäre sie ein Geist. »Verschwinde, sofort.«
Er ließ sie los, und sie wäre fast nach hinten umgefallen. Nur Gins kalte Nase an ihrem Rücken hielt sie davon ab.
»Er hat recht«, wimmerte der Hund mit flach angelegten Ohren. »Dieses Ding ist wahnsinnig. Wir verschwinden jetzt.«
Miranda öffnete den Mund, um zu protestieren, aber Gin ließ ihr keine Chance dazu. Er nahm Miranda wie einen Welpen zwischen die Zähne und rannte auf den Wald zu, den immer noch bewusstlosen König auf dem Rücken. Miranda schrie irgendetwas über Eli, aber der Hund hielt nicht an, er sah nicht einmal zurück.
Sobald der Geisterhund in den Wäldern verschwunden war, drehte Eli sich um und rannte so schnell wie möglich in die andere Richtung. Fast wäre er mit Nico und Josef zusammengestoßen.
»Was tut ihr hier?«, schrie Eli und packte sie beide. »Ich habe euch gesagt, ihr sollt zu dem Findling gehen!« Dann entdeckte er den großen Blutfleck auf Josefs Hemd und riss entsetzt die Augen auf. »Was ist denn mit dir passiert?«
»Egal!«, schrie Josef. »Wo ist das Gold?«
»Erklärungen später!«, schrie Eli zurück und zerrte sie beide zu dem großen Stein am Rande der Lichtung. »Lauft einfach!«
Josef nickte und fing an zu rennen. Wenn die Situation so ernst war, dass Eli Geld zurückließ, war dies nicht der richtige Moment für einen Streit. Sie rasten über die Lichtung und ignorierten das immer lauter werdende Brüllen hinter sich. Selbst Josef konnte es jetzt hören, ein hohes Kreischen, das wie Sandpapier über seine Nerven glitt. Es klang wie das Geschrei eines verletzten Kindes, aber gleichzeitig war nichts Menschliches in diesem Geräusch, und es gab keinerlei Atempausen. Josef lief ein kalter Schauder über den Rücken, und er rannte weiter.
Eli schrie dem Stein etwas entgegen, noch bevor sie den Rand der Lichtung erreicht hatten. Der Stein allerdings schien nicht zu antworten, da Eli schlitternd vor ihm zum Stehen kam und heftig gestikulierte. In diesem Moment fiel ein dunkler Schatten über sie.
Josef wirbelte herum und packte eines seiner verbleibenden
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