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Meister der Stimmen: Roman (German Edition)

Meister der Stimmen: Roman (German Edition)

Titel: Meister der Stimmen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Aaron
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bei sich zu tragen, hat er die Natur des Sandsturms vollkommen verändert. Und wenn man die Farbe betrachtet, war er wahrscheinlich lange Zeit so gefangen.« Er runzelte die Stirn, und seine nächsten Worte waren untypisch sanft. »Es muss für den Sturm sehr schmerzvoll gewesen sein.«
    »Aber wenn es so weh getan hat, warum ist der Geist nicht einfach geflohen?«, fragte Josef und beugte sich vor, um sich Glas aus den Haaren zu schütteln. »Ich bin mir ja bei diesem ganzen Magiergequatsche nie ganz sicher, aber ein Sandsturm ist viel größer als Renaud. Hätte er nicht einfach abhauen können?«
    »So einfach ist das nicht«, erklärte Eli. »Ein Sandsturm ist von Beginn an kein einzelner Geist, nicht wie andere Geister. Ein Stein, zum Beispiel, ist schon seit langer Zeit ein Stein. Er mag ja in der Vergangenheit Teil eines Berges gewesen sein, aber er bestand immer aus Stein. Der Steingeist hat eine starke, voll ausgebildete Identität. Sandstürme sind anders. Sie werden geboren, wenn Luftgeister und Sandgeister sich aneinander reiben, so etwas wie eine Geisterprügelei. Wenn der Sand in die Luft geworfen wird, verbinden sich beide Geister zu einem heftigen Sturm. Schließlich verpufft ihre Wut, und der Sand fällt wieder zu Boden, so dass die Geister sich wieder trennen – aber während sie kämpfen, bilden die Sandgeister zusammen mit den Luftgeistern einen Sandsturmgeist. Glaubt mir, keine der beiden Seiten ist besonders glücklich darüber. Mit solchen Stürmen kann man unmöglich sprechen.
    Unglücklicherweise«, fuhr Eli fort, »sind Stürme wie dieser auch sehr dumm. Beide Geister kämpfen im Sturm um die Vorherrschaft, also gibt es eine Menge rohe Macht, aber keinerlei Kontrolle. Das ist wahrscheinlich der Grund, warum Renaud ihn so vollkommen kontrollieren konnte. Der Sturm hatte einfach nicht die Geistesgegenwart, sich zu widersetzen.«
    »Und wo ist der Sturm jetzt?«, fragte Josef. »Hat er ihn wieder in eine Kugel gezwungen und mitgenommen?«
    »Nein.« Eli schüttelte den Kopf. »Wenn überhaupt noch etwas von ihm übrig ist, dann stehen wir darauf.« Er strich sanft mit den Füßen durch den Sand, so dass eine kleine, glitzernde Wolke aufstieg. »Wenn ein Geist einmal so tief gefallen ist, ist er nur noch für einen letzten Schlag gut. Das wusste Renaud, also hat er die letzten Reste des Sturms eingesetzt, um ihn auf uns zu hetzen. Dann ist Renaud verschwunden und hat den Sturm sich selbst überlassen. Er konnte sich austoben und hat dabei alle Beweise vernichtet.« Eli ließ seine Finger über eine der langen Scharten auf der Oberfläche des Felsens gleiten. »Es hätte auch funktioniert, wäre da nicht mein brillanter Plan gewesen.«
    »In der Tat brillant«, sagte Josef steif, während er eine Hand an seine verletzte Brust drückte. »Und wo ist Renaud jetzt?«
    »Ich denke, wieder im Palast.« Eli nickte in Richtung der Türme, die dunkel über den Baumwipfeln aufragten. »Prinzen, die gerade ihre Brüder gestürzt haben, haben wahrscheinlich Besseres zu tun, als auf Leute wie uns zu warten. Vielleicht sollten wir …«
    Er hielt inne, als ein starker Windstoß über die Lichtung fuhr und das lose Glas in einen beißenden Wirbelwind verwandelte. Eli, Josef und Nico kauerten sich im Windschatten des Findlings zusammen und versuchten verzweifelt, nicht zu atmen.
    »Ich finde, es reicht jetzt«, presste Eli hervor, als der Wind schließlich wieder nachließ. »Ohne Gold, ohne König und ohne einen Plan, wie wir an beides herankommen, in Glassand zu kauern – das ist offiziell unser schlimmster Job von allen.«
    »Es war deine Idee«, meinte Josef. Er zog einen seiner Notverbände heraus und band ihn sich über den Mund. »Hier.« Er gab Eli und Nico ebenfalls je einen Streifen. »Lasst uns gehen.«
    Sie banden sich den Stoff über Mund und Nase, bevor sie sich auf den Weg aus der Sandschüssel machten. Es dauerte viel länger als gedacht, da der Staub an manchen Stellen mehr als knietief war und außerdem so fein, dass er schon nach Minuten unter ihre improvisierten Masken drang und überall festklebte, wo es feucht war. Die blutige Vorderseite von Josefs Hemd war bald vollkommen schwarz, und selbst Nico verzog das Gesicht, als ihr der Glasstaub in die Nase drang. Innerhalb der kreisförmigen Staubwüste war es totenstill. Im Wald vor ihnen zirpten Grillen und sangen Vögel, aber auf der Lichtung hörte man nur das Geräusch ihrer Schritte im Sand und das Keuchen ihres

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