Meister der Stimmen: Roman (German Edition)
verdrehen.
»Auf jeden Fall überrascht es mich nicht, dass er hier so schnell aufgetaucht ist und die Macht an sich gerissen hat«, fuhr der König fort. »Seit dem Tod meines Vaters habe ich immer wieder Gerüchte gehört, dass Renaud sich angeblich irgendwo in Allaze versteckt hält. Ich habe seit Jahren vermutet, dass er in dem Moment auftauchen würde, in dem sich ihm die Chance bietet.«
»Und Eli hat ihm diese Chance auf einem Silbertablett serviert«, sagte Miranda hitzig. »Vielleicht steckt sogar noch mehr dahinter, als Euch klar ist. Das ging überraschend schnell, selbst für einen ehrgeizigen Opportunisten. Ich wette, dass Eli von Anfang an an der Sache beteiligt war.«
»Nein«, sagte der König und schüttelte entschieden den Kopf. »Renaud und Monpress würden nicht zusammenarbeiten.«
»Woher wisst Ihr das?«
»Glaubt mir einfach«, gab der König zurück. »Ich habe zwölf Jahre als Bruder des einen und eine Woche als Gefangener des anderen verbracht. Beides hat ausgereicht, um zumindest das sicher sagen zu können.«
Miranda seufzte. »Wenn das stimmt, macht das Elis Taten fast noch schlimmer. Hätte er für jemanden gearbeitet, hätte das zumindest vorausschauendes Denken bedeutet. Aber einfach rücksichtslos in ein Land zu stürmen und das Gleichgewicht der Mächte zu stören, ohne über die Folgen nachzudenken …« Sie schüttelte den Kopf. »Er hat Glück, dass Meister Banage ihn lebend haben will, sonst würde ich ihn höchstpersönlich umbringen.«
Der König nickte anerkennend. »Also, wo du jetzt auf meiner Seite bist, was machen wir nun? Ich heiße übrigens Henrith.«
Miranda tippte sich nachdenklich ans Kinn. »Lasst uns unsere Situation analysieren: Ich habe gesehen, dass Oban entkommen ist, also können wir wohl sicher davon ausgehen, dass alle im Palast dich für tot halten und denken, ich hätte dich umgebracht. Die Stellung deines Bruders hängt davon ab, dass sie das auch weiterhin denken. Diese schreiende schwarze Wolke war seine Art, die Beweise verschwinden zu lassen, aber ich wette Elis Kopfgeld darauf, dass er auch für eine glaubwürdige Ausrede gesorgt hat, falls du doch überlebt haben solltest.«
»Das ist einfach«, meinte der König. »Ganz Mellinor kennt die Geschichten über Magier. Wenn wir versuchen, Verbündete zu finden, werden sie mich alle für ein heraufbeschworenes Phantom halten.«
»Ein Phantom?« Miranda runzelte die Stirn. »Wie kommt man denn auf so eine Idee?«
»Das stand in diesem Buch«, sagte Henrith. »Es ist verboten, aber jeder hat es gelesen. Morticimes Reisen oder etwas in der Art.«
Plötzlich hatte Miranda stechende Kopfschmerzen. »Morticime Kants Die Reisen eines Zauberers? «
»Genau«, sagte Henrith mit einem Lachen, »so heißt es! Obans Sohn und ich haben es immer unter unsere Rüstung geschmuggelt und gelesen, wann immer unsere Lehrer dachten, wir würden lernen. Ich habe schon seit Jahren nicht mehr daran gedacht.«
Miranda fehlte die Energie für den Wutanfall, der sich in ihr zusammenbraute, also verdrängte sie das Thema und konzentrierte sich stattdessen auf ihre Geister. Eril war in dem Moment zu ihr zurückgerast, als Renaud seinen Geist geöffnet hatte, aber er hatte sich tief in seiner Perle zusammengerollt, war vollkommen traumatisiert und schlief wie ein Stein. Skarest hatte sich ebenfalls zurückgezogen, Durn erholte sich noch, und Kirik war wenig mehr als ein Funke. Ihre Ressourcen waren fast erschöpft.
»Auch wenn ich das höchst ungern sage«, begann sie schließlich langsam, »aber ich denke, wir brauchen Hilfe von außen.«
Der König wirkte verwirrt. »Du meinst, wir sollten eine Botschaft an einen verbündeten Hof schicken? Deine Geister-was-auch-immer dazu bringen, dass sie uns mehr Magier schicken? Aber das wird …«
»… zu lange dauern, ich weiß.« Miranda stand auf. »Das war auch nicht die Hilfe, an die ich gedacht hatte.« Sie sah ihren Gefährten an. »Gin?«
Der Geisterhund blickte von seiner Fellpflege auf. »Wenn du meinst, was ich denke, dass du meinst, ist die Antwort ja. Den Weg zurück, den wir gekommen sind.«
»Gut.« Sie ging zu ihm und fing an, auf seinen Rücken zu klettern. »Dann aber schnell, wir haben schon genug Zeit verschwendet.« Sie machte es sich auf seinem Hals bequem und klopfte demonstrativ auf den Platz hinter sich. »Klettere hoch, Majestät, die Zeit rast.«
Der König starrte den Hund vollkommen entsetzt an. »Klettern?«
Das Wort hatte seinen Mund kaum
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