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Meister Li 01 - Die Brücke der Vögel

Meister Li 01 - Die Brücke der Vögel

Titel: Meister Li 01 - Die Brücke der Vögel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barry Hughart
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flaches Dach.
    Meister Li hing schwer und leblos in meinen Armen. Ich legte ihn auf den Bauch und begann, ihn künstlich zu beatmen. Ich weinte, weil ich dachte, es sei zu spät. Aber nach kurzer Zeit hörte ich ihn husten. Ich schrie vor Freude laut auf und ließ in meinen Bemühungen nicht nach, während ihm das Wasser aus dem Mund strömte und er schließlich wieder selbst atmete. Dann sank ich zu Boden, und wir lagen nebeneinander und schnappten nach Luft wie zwei Fische auf dem Trockenen. Schließlich vermochten wir uns aufzusetzen und uns umzusehen. Wir befanden uns immer noch in großen Schwierigkeiten. Das Ufer lag mehr als eine Meile entfernt, und die drei Zofen schwammen wie Haie um den Turm. Meister Li schüttelte sich das Wasser aus den Ohren und hob zitternd den Finger. »Nummer Zehn der Ochse, wir sind Zeuge eines so entsetzlichen Verbrechens, daß es jede Vorstellung übersteigt«, sagte er heiser, »der Herzog von Ch'in hat diese armen Mädchen ermordet und sie dann in einen Zauberspruch gebannt, der sie zwingt, das Herz ihres Mörders zu schützen. Da er beabsichtigt, für immer zu leben, hat er drei unschuldige Mädchen zu ewiger Verdammnis verurteilt.«
    Er lief vor Zorn dunkelrot an.
    »Nicht einmal der Himmelskaiser hat das Recht, jemanden zu ewiger Verdammnis zu verurteilen«, schrie er wütend, »es muß eine Gerichtsverhandlung stattfinden. Der Angeklagte muß verteidigt werden, und die Yamakönige müssen dem Urteil zustimmen, ehe eine solche Strafe verhängt werden darf!«
    Knurrend zog ich das Kästchen aus dem Beutel an meiner Hüfte. Ich hielt das eiskalte Ding an mein Ohr und hörte ein schwaches Pochen ... Poch... Poch... Poch...
    »Soll ich es in Stücke schneiden oder zerquetschen?« fragte ich finster.
    Diese Frage besaß keinen praktischen Wert. Li Kao machte sich mit seinen Dietrichen ans Werk, aber einem solchen Schloß war er noch nie begegnet. Es handelte sich um das komplizierteste Druckschloß, das er je gesehen hatte. Es ließ sich nur mit dem richtigen Schlüssel öffnen. Ein Dolch hinterließ auf dem Kästchen noch nicht einmal einen Kratzer. Ich warf es mit aller Kraft auf den Steinboden, aber davon bekam es noch nicht einmal eine Beule. Durch Reibung entstand nicht einmal die kleinste Spur von Wärme auf dem eiskalten Metall. Ich warf das Kästchen schließlich zu Boden; wir saßen davor und starrten es an. Beim Herausnehmen aus dem Tigermaul hatte ich offenbar auch ein paar Edelsteine mitgenommen. Li Kao nahm sie langsam in die Hand: ein Diamant, ein Rubin, eine Perle und ein Smaragd. Er betrachtete sie voller Verwunderung. »Schachmatt«, sagte er leise, »ich habe dir gesagt, der Jadekaiser würde die beiden Aufgaben hübsch miteinander verknoten. Es gibt nur eine Möglichkeit, von diesem Turm zu fliehen. Wir müssen einen heiligen Eid ablegen.« Ich hatte keine Ahnung, wovon er redete.
    »Einen Regentropfen in einem Gewittersturm finden, ein Blütenblatt auf einer Wiese voller Blumen oder ein Sandkorn unter einer Million anderer Sandkörner am Strand...«, flüsterte Meister Li. »Ich bin ein Dummkopf. Ich leide an Gehirnerweichung. Ochse, ich kann dem nicht mehr trauen, was ich einmal als meinen Verstand bezeichnete. Kannst du dich vielleicht noch an die Namen der Zofen erinnern?«
    »Schneegans«, sagte ich langsam, »Kleine Ping... und Herbstmond.«
    Li Kao verstaute die Edelsteine in einer Muschel an seinem Schmugglergürtel, bat mich, das Kästchen wieder in den Beutel zu legen und ihn sorgfältig an meiner Hüfte festzubinden. Dann erhob er sich mühsam und wendete sich den armen Mädchen im Wasser zu, die langsam den Turm umkreisten.
    »Schneegans«, sagte er ganz ruhig, »Kleine Ping und Herbstmond, hört zu! Die Aufgabe ist beinahe gelöst. Wir haben die Flöte, die Kugel und das Glöckchen. Ich weiß, wo wir die drei Federn vom König der Vögel finden. Ich weiß, wo wir die goldene Krone finden. Und jetzt weiß ich auch, wo wir die Prinzessin der Vögel finden. Ihr müßt uns vorbeilassen. Ihr müßt kämpfen, wie noch niemand je gekämpft hat und ermöglichen, daß wir sicher das Ufer erreichen.« Ich starrte ihn fassungslos an. Er holte tief Luft. »Zofen, wenn Ihr den Bann brechen und uns ziehen lassen könnt, schwöre ich bei allem, was heilig ist und beim heiligen Namen des Jadekaisers, daß die Vögel fliegen werden!« schrie Meister Li zu ihnen hinunter, »am siebten Tag des siebten Mondes werden die Vögel von China fliegen!« Ich bezweifle, daß

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