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Meister Li 01 - Die Brücke der Vögel

Meister Li 01 - Die Brücke der Vögel

Titel: Meister Li 01 - Die Brücke der Vögel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barry Hughart
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Schließlich öffnet er die Augen, und wenn die Pflanze immer noch an ihrem Platz ist, erfüllt ihn große Freude - weniger deshalb, weil er eine wertvolle Pflanze gefunden hat, sondern weil sein Herz als rein befunden worden ist.
    Er pflückt die Beeren und legt sie behutsam in die Erde, damit der Ginseng wieder wachsen kann. Blätter und Blüten werden abgestreift und unter vielen Gebeten feierlich verbrannt. Mit den Knochenspaten gräbt der Sucher die Wurzel aus. Sie ist gegabelt und erinnert in ihrer Form an einen Menschen - Skeptiker betrachten die Form als Grundlage primitiver Volksreligion. Die kleinen biegsamen Messer werden benutzt, um die winzigen Wurzelfasern zu reinigen, die man Barthaare nennt, und die von größter Bedeutung für die Heilkräfte sind. Die Wurzel wird in Birkenrinde gewickelt, mit Pfeffer bestreut, um Insekten fernzuhalten, und dann macht sich der glückliche Ginsengsucher auf den langen gefährlichen Weg zurück in die Sicherheit der Zivilisation.
    »Wo er vermutlich einem Halsabschneider wie Ma der Made in die Hände fällt«, sagte der Abt verdrießlich, »der von jemandem wie dem Pfandleiher Fang übers Ohr gehauen wird, der die Wurzel an jemanden wie die Ahne verkauft, die wie eine riesige giftige Kröte auf einer Volksgottheit hockt, deren einziger Lebenszweck es ist, den Reinen im Herzen zu helfen.«
    »Ehrwürdiger Vater, ich habe noch nie von der Ahne gehört«, sagte ich schüchtern.
    Der Abt lehnte sich zurück und rieb sich die müden Augen. »Was für eine Frau«, sagte er mit widerwilliger Bewunderung. »Ochse, sie begann ihre Laufbahn als elfjährige kaiserliche Konkubine, und mit sechzehn hatte sie den Kaiser Wen soweit um den Finger gewickelt, daß er sie zu seiner dritten Gemahlin machte. Daraufhin vergiftete die Ahne den Kaiser, erwürgte seine anderen Frauen, ließ bis auf den jüngsten alle seine Söhne enthaupten, hob diesen Schwächling - Kaiser Yang - auf den Thron und ließ sich hinter der Bühne als die wahre Herrscherin Chinas nieder.«
    »Ehrwürdiger Vater, ich habe immer gehört, Kaiser Yang sei ein sittenloser grausamer Herrscher gewesen, der das Reich beinahe zugrunde gerichtet hat!«, rief ich.
    »Das ist die offizielle Version, in der man ihm auch noch Vatermord anhängt«, erklärte der Abt trocken. »In Wirklichkeit war er ein furchtsamer kleiner Mann und eigentlich recht liebenswert. Die Herrschaft lag völlig in den Händen der Ahne, einen Titel, den sie sich selbst zugelegt hat und aus dem eine gewisse konfuzianische Endgültigkeit spricht. Ihre Herrschaft war kurz, aber grandios. Sie ging daran, das Reich zu ruinieren, indem sie verordnete, daß jedes Blatt, das in ihre kaiserlichen Lustgärten fiel, durch ein künstliches Blatt aus kostbarster Seide ersetzt werden mußte. Die kaiserliche Lustbarkeit war zweihundertsiebzig Fuß lang, besaß vier Decks, einen drei Stockwerke hohen Thronsaal und einhundertzwanzig mit Gold und Jade geschmückte Kabinen. Die Ahne stand vor dem Problem, einen Teich zu finden, der groß genug für dieses Ding war, also ließ sie drei Millionen Sechshunderttausend Bauern zur Zwangsarbeit einziehen und befahl ihnen, den Gelben Fluß mit dem Jangtse-fluß durch einen vierzig Fuß tiefen, fünfzig Yard breiten und tausend Meilen langen Graben zu verbinden. Der Große Kanal erwies sich von unschätzbarem Wert für den Handel, doch das Wichtige für die Ahne dabei war, daß bei seinem Bau drei Millionen Menschen starben, eine Zahl, die ihre gottähnliche Größe bestätigte. Nach Fertigstellung des Kanals«, sagte der Abt, »lud die Ahne ein paar Freunde ein, sie auf einer wichtigen Staatsmission nach Jang-tschou zu begleiten. Sechzig Meilen maß die Flotte der Lustbarken von Bug zu Bug. Sie war bemannt mit neuntausend Bootsleuten und wurde von achtzigtausend Bauern geschleppt, von denen ein paar überlebten. Die wichtige Staatsmission bestand darin, die blühenden Mond winden zu betrachten. Doch Kaiser Yang betrachtete die Mondwinden nicht. Die Exzesse der Ahne fanden in seinem Namen statt, und so verbrachte er die ganze Reise damit, in einen Spiegel zu blicken. Was für ein ausgezeichneter Kopf! jammerte er immer wieder, ich frage mich, wer ihn wohl abschlagen wird? Das Köpfen besorgten ein paar Freunde des großen großen Kaisers Lu Shih-min, der den kaiserlichen Namen T'ang T'au'tsung annahm und heute auf dem Thron sitzt. Alles scheint darauf hinzudeuten, daß T'ang der größte Kaiser unserer Geschichte sein wird, aber

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