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Meister Li 01 - Die Brücke der Vögel

Meister Li 01 - Die Brücke der Vögel

Titel: Meister Li 01 - Die Brücke der Vögel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barry Hughart
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ich will bescheiden gestehen, daß er einen schweren Fehler beging, als er annahm, Yang sei für die Verbrechen der Sui-Dynastie verantwortlich, und der Ahne erlaubte, sich in allem Luxus ins Privatleben zurückzuziehen.«
    Ich glaube, ich war so bleich wie ein Geist geworden. Der Abt streckte die Hand aus und tätschelte begütigend eines meiner Knie.
    »Ochse, du wirst mit einem Mann reisen, der sich seit mindestens neunzig Jahren in gefährliche Situationen begeben hat, wenn ich einmal annehme, daß er damit in deinem Alter begann. Und er ist immer noch am Leben, um davon zu erzählen. Außerdem weiß Meister Li weit mehr über die Ahne als ich, und er rechnet fest damit, sich ihre Schwächen zunutze machen zu können.« Der Abt schwieg, um über seine Worte nachzudenken. Die Bienen summten, die Fliegen brummten, und ich fragte mich, ob man das Schlottern meiner Knie hören konnte. Noch vor ein paar Minuten hatte ich wie ein Rennpferd davonstürmen wollen; jetzt hätte ich es vorgezogen, wie ein Angsthase blitzschnell in einem Loch zu verschwinden.
    »Du bist ein guter Junge, und ich würde nicht gerne dem Mann begegnen, der dir an Körperkräften überlegen ist. Aber du weißt sehr wenig über diese böse Welt«, begann der Abt langsam. »Um die Wahrheit zu sagen, ich mache mir weniger Sorgen um den Schaden, den dein Körper nehmen kann, als um den Schaden deiner Seele. Verstehst du, du weißt nichts über Männer wie Meister Li, und er erwähnte, er habe vor, sich in Peking Geld zu beschaffen. Und ich fürchte...«
    Er brach ab und suchte nach den richtigen Worten. Dann entschied er, es würde mehrere Jahre dauern, um mich richtig auf das Kommende vorzubereiten.
    »Nummer Zehn der Ochse, unsere einzige Hoffnung ist Meister Li«, erklärte er ernst, »du mußt alles tun, was er befiehlt, und ich werde für deine unsterbliche Seele beten.«
    Mit diesem eher alarmierenden Segen verließ er mich, um zu den Kindern zurückzukehren. Ich ging ins Dorf hinunter, um von meiner Familie Abschied zu nehmen. Später gelang es mir sogar, ein wenig zu schlafen. In meinen Träumen umgaben mich rundliche braune Kinder, während ich versuchte, in einem Garten, wo drei Millionen künstliche Seidenblätter in einer leichten Brise raschelten, die nach drei Millionen verwesender Leiber stank, ein rotes Band um die Wurzel eines Blitzstrahls zu schlingen...
     

5.
Von Ziegen, Gold und Geizhals Shen
     
    »Ein Frühlingswind ist wie Wein«, schrieb Chang Chou, »ein Sommerwind wie Tee, ein Herbstwind wie Rauch und ein Winterwind wie Ingwer oder Senf.« Durch Peking strich ein Wind wie Tee mit einer Spur Rauch und gewürzt mit dem Duft von Pflaumen, Mohn, Päonien, Platanen, Lotus, Narzissen, Orchideen, wilden Rosen, den süß duftenden Blättern von Bananen und Bambus. In der Luft lagen auch die scharfen Gerüche von Schweinefett, saurem Wein, Schweiß und die verwirrenden Ausdünstungen von mehr Menschen, als ich mir hätte träumen lassen.
    Bei meinem ersten Besuch in Peking wollte ich nichts anderes als die Straße der Augen erreichen und hatte kaum auf das Mondfest geachtet. Doch jetzt staunte ich mit offenem Mund die Gaukler und Akrobaten an, deren Keulen und Körper durch die Luft wirbelten, und Mädchen so winzig und zart wie Porzellanpuppen, die in riesigen, künstlichen Lotusblüten auf Zehenspitzen tanzten. Die prächtigen Sänften und Kutschen des Adels bewegten sich vornehm durch die Straßen. Männer und Frauen saßen weinend und lachend in Theatern unter freiem Himmel. Die Spieler grölten und fluchten beim Würfeln und bei den Grillenkämpfen. Ich beneidete die eleganten und selbstsicheren Herren, die sich in der routinierten Bewunderung der Liedermädchen sonnten - oder in die Gasse der Vierhundert Verbotenen Freuden schlichen, wenn sie mehr wollten. Die schönsten jungen Frauen, die ich je gesehen hatte, schlugen in bunten Zelten die Trommeln und sangen dabei die Blüten-Trommel-Lieder. Beinahe an jeder Straßenecke saßen alte Frauen mit flinken Augen, die Limonade und kandierte Früchte verkauften, und riefen: »Aiieee! Aiieee! Kommt her, ihr Kinder! Spitzt die Ohren wie Elefanten, und ich werde euch die Geschichte erzählen, wie der große Ehr-lang von dem schrecklichen übernatürlichen Schwein verschlungen wurde!« Meister Li besaß spitze Ellbogen. Er kam mühelos in dem Gedränge vorwärts; laute Schmerzensschreie begleiteten seinen Weg. Er zeigte mir die Sehenswürdigkeiten und erklärte, die merkwürdigen

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