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Meister Li und der Stein des Himmels

Meister Li und der Stein des Himmels

Titel: Meister Li und der Stein des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barry Hughart
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Blick auf die Festung und die Mauern hatte. Er erzählte uns,
daß in dieser Jahreszeit Räuberbanden durch Chao zogen, die vor Beginn der
Regenzeit, in der die Wege unpassierbar wurden, versuchten, ihre Schlupfwinkel
in den Bergen zu erreichen. Es gehörte zu König Shih Hus größten Vergnügungen,
Räuberbanden abzuschlachten. »Er führt seine Truppen im Kampf selbst an und ist
dafür berühmt, daß er seine Burg innerhalb weniger Minuten verlassen und zum
Angriff übergehen kann«, erklärte Meister Li. »Die Zugbrücken sind langsam und
schwerfällig. Ich möchte herausfinden, ob er sie benutzt oder nicht, und ich
wette, er hat einen anderen Ausgang .« Bis zum Abend
hatten wir nichts anderes zu tun, als uns unter die vornehmen Gäste zu mischen.
Meister Li zog Klagende Morgendämmerung beiseite und bat sie, ihre staubigen
Reisekleider wieder anzuziehen, einen gefährlichen Dolch im Gürtel zu tragen
und sich den Bogen über die Schulter zu hängen. Die Haare band sie mit einem
geflochtenen Lederband zusammen, das scheinbar von einem alten Zügel stammte.
Die Haarspange funkelte wie der Schmuck einer Kaiserin und steckte vorne an
ihrem mit Schweiß befleckten Gewand. Wenn es je eine wilde kriegerische
Prinzessin gegeben hatte, dann war es Klagende Morgendämmerung. Sie wurde
augenblicklich von zahllosen Verehrern umlagert. Ich kam nahe genug an sie
heran, um zu hören, wie sie erklärte -
    offenbar hatte Meister Li
ihr das geraten -, sie suche ihren Bruder, der einem bösen Schamanen in die
Hände gefallen sei und nun in Gestalt eines Tigers durch den Wald streife. Er
trage das Gegenstück zu ihrer Spange an seinem pelzigen Hals. Danach konnte ich
nicht einmal mehr bis auf vierzig Fuß an sie herankommen - also spazierte ich
davon. König Shi Hus besondere Menschen waren überall anzutreffen; Meister Li
geriet mit dem größten Astronomen der Welt in ein hitziges Streitgespräch über
die Richtung der Strömungen im Großen Sternenfluß während der Regenzeit. Es
ging bei ihrer heftigen Debatte um »Neo-Chang Hengsche Epizy-kel« und
»Phalgunis Asterismi« und »umgekehrte Gz'z-Kon-zentrationen« - ich verstand
kein Wort und flüchtete mich zur schönsten Frau der Welt, mit der ich mich sehr
angeregt unterhielt.
    Sie hatte blonde Haare,
grüne Augen und sagte, sie sei eine Griechin aus Baktrien. Außerdem sagte sie,
sie habe es satt, von einem König nach dem anderen entführt zu werden, denn das
sei seit ihrem zehnten Lebensjahr ihr Los. Sie wolle unbedingt aufrecht stehend
begraben werden, denn sie könne bis in alle Ewigkeit kein Bett mehr sehen. Ich
mochte sie, obwohl eine gewisse Härte in Augen und Mundwinkeln gegen eine
engere Beziehung sprachen.
    Ich spazierte weiter und
unterhielt mich mit einem alten Mann, der mir seine wirklich sehr interessante
Geschichte erzählte. Als er einmal betrunken gewesen war, bepinkelte er die
Statue eines örtlichen Schutzgottes; offenbar kam in diesem Moment gerade der
Gott der Mauern und Gräben vorüber, denn ehe der Mann es sich versah, stand er
selbst in Bronze gegossen als T'u-ti auf einem Sockel. Es herrschte eine
schreckliche Dürre in der Gegend, und die Bauern verlangten von ihm, den
Feldern Regen zu bringen, und als der Regen ausblieb, holten sie die rituellen
Keulen und schlugen ihn grün und blau. Er konnte immer noch ein paar
eindrucksvolle Striemen vorzeigen. Ich wollte noch weitere Einzelheiten von ihm
wissen, als ich hörte, wie die Zugbrücke herabgelassen wurde. Ein Bote ritt
darüber, sprang vom Pferd, rannte in den Palast, um dem König Bericht zu
erstatten. Meister Li nickte mir zu. Klagende Morgendämmerung war von Verehrern
umringt und konnte nicht weg. Also entschuldigte ich mich hastig bei dem
ehemaligen T'u-ti und rannte zur Treppe, die zu den Türmchen
hinaufführte. Ich erreichte meinen Aussichtspunkt gerade, als der König und
seine Goldenen Mädchen durch eine Seitentür in den Hof kamen und in den Ställen
verschwanden. Als ich hörte, wie die Zugbrük-ke wieder hochgezogen wurde, wußte
ich, daß Meister Li recht gehabt hatte. Es vergingen nur wenige Minuten, und
ich blinzelte verwundert, als ich Shi Hu plötzlich vor den Mauern entdeckte. Er
saß auf einem drehbaren bequemen Polster in einem großen Streitwagen. Bogen und
Berge von Pfeilen befanden sich in seiner Reichweite. Meister Li hatte mir
erzählt, der König sei einer der besten Bogenschützen der Welt. Er drehe sich
auf seinem Polster herum und herum und schieße seine Pfeile so

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