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Meister und Margarita

Meister und Margarita

Titel: Meister und Margarita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Bulgakow
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hoch – blieb kurz in der Schwebe – holte aus – hackte den stahlharten Schnabel voll Wucht in die Glasscheibe vor der Photographie (der gesamte Jahrgang 1894 nach dem Studienabschluss) – ließ sie zersplittern – und flog erst dann zum Fenster hinaus.

    Der Professor wählte eine andere Nummer. Nicht die von Bouré, sondern die vom Büro für Blutegel. Sagte, es spricht Professor Kusmin. Eine dringende Lieferung Blutegel. Nach Hause.
    Er legte den Hörer auf und wandte sich um, abermals zu seinem Schreibtisch. Da stieß er einen Schreckensschrei aus. Hinter seinem Schreibtisch saß – in einer Schwesternhaube – eine Frau mit Täschchen – und darauf stand: »Blutegel«. Der Professor schrie, denn er sah ihren Mund – den Mund eines Mannes – schief – bis an die Ohren – mit einem Stoßzahn. Die Augen – tot.
    – Was die Scheinchen angeht, die nehm’ ich mal mit –, sagte die Schwester mit tiefem Bass. – Nicht dass sie wegkommen. – Grabschte nach den Etiketten mit ihrer Vogelklaue und löste sich langsam in Luft auf.
    Zwei Stunden später saß der Professor im Schlafzimmer, auf seinem Bett. Die Blutegel hafteten ihm an den Schläfen, hinter den Ohren und am Hals. Ihm zu Füßen – auf einer seidenen Steppdecke – der Professor Bouré mit ergrautem Schnurrbart. Er blickte Kusmin voll Mitgefühl an und tröstete ihn. Alles halb so schlimm. Hinter dem Fenster war es schon Nacht.
    Was um diese Stunde in Moskau sonst noch an Denkwürdigem geschah, wissen wir nicht, wollen dem auch keineswegs weiter nachgehen. Zumal nun die Zeit gekommen ist, zum zweiten Teil unserer nur allzu getreuen Beschreibung zu schreiten. Wohlan denn, Leser! Folge mir nach!

Zweiter Teil

Kapitel 19
Margarita
    Wohlan denn, Leser! Folge mir nach! Wer hat dir erzählt, es gäbe auf der Welt keine echte, wahrhafte, ewige Liebe? Möge dem Lügner seine schändliche Zunge abgetrennt werden!
    Folge mir nach, mein Leser – nur mir –, und ich zeige dir eine solche Liebe!
    Nein! Der Meister täuschte sich schwer, als er zu Iwan – in der Klinik – nach Mitternacht – voll Bitternis sagte, sie habe ihn vergessen. Undenkbar! Sie hat ihn nicht vergessen.
    Zunächst einmal wollen wir das Geheimnis lüften, das der Meister vorzog, für sich zu behalten, als er mit Iwan redete. Seine Liebe hieß Margarita Nikolajewna. Alles, was der Meister dem armen Poeten über sie verriet, entsprach der Wahrheit. Er hat die Geliebte treffend beschrieben. Sie war klug und schön. Wir wollen das Bild ein wenig ergänzen. Es steht fest: Eine Menge Damen würden vieles geben, um mit Margarita Nikolajewna tauschen zu können. Die kinderlose Dreißigjährige hatte einen bedeutenden Fachmann zum Gatten, der eine wichtige Entdeckung gemacht hat – geradezu von staatstragender Bedeutung. Der Mann war jung, schön, gutmütig, ehrlich und – vergötterte seine Frau. Die beiden bewohnten das komplette Obergeschoss einer Villa in der Nähe vom Arbat im wunderschönen Garten zwischen den Gassen. Jeder kann sich leicht davon überzeugen, wenn er den Ort nur aufsuchen will. Er soll mich fragen, und ich nenne ihm die Anschrift, zeige ihm den Weg (die Villa steht noch).
    Margarita Nikolajewna litt nie an Geldnot. Margarita Nikolajewna durfte sich alles kaufen, was ihr gefiel. Unter den Bekannten ihres Mannes gab es interessante Leute. Margarita Nikolajewna musste nie an den Herd. Margarita Nikolajewna ist von den Schrecken einer Gemeinschaftswohnung verschont geblieben. In einem Wort: Sie war … glücklich? Nein, nicht eine Sekunde lang! Seit sie mit neunzehn geheiratet hatte und in die Villa eingezogen war, ist ihr das Glück unbekannt geblieben. Ihr Götter, ihr Götter! Was wollte sie denn?! Diese Frau, in deren Blick die ganze Zeit ein fremdes Fünkchen flammte? Was wollte diese auf einem Auge leicht schielende Hexe, die sich im Frühling mit Mimosen schmückt? Ich weiß es nicht. Es ist mir ein Rätsel. Offenbar sagte sie die Wahrheit: Sie wollte ihn, den Meister, sonst nichts – keine gotische Villa, keinen Garten, kein Geld. Sie liebte ihn und sagte die Wahrheit.
    Ich bin zwar der Autor dieser allzu getreuen Beschreibung, aber im Grunde ein Außenstehender. Und doch zieht sich auch mir das Herz zusammen, wenn ich bedenke, was Margarita durchmachen musste, als sie am folgenden Tag das Häuschen des Meisters aufsuchte und feststellte: Er ist fort. (Zum Glück hatte sie nicht mit ihrem Mann gesprochen, denn er war nicht wie geplant zurückgekommen.) Sie

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