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Meister und Margarita

Meister und Margarita

Titel: Meister und Margarita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Bulgakow
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scheibenlos gebliebenen Fenster. Und durch dasselbige Fenster fliegt er – die Beine nach vorn – hinaus in den Hof. Darob vergisst Annuschka sogar ihren Nacken, schnappt tief nach Luft und hetzt selbst hinauf. Schmeißt sich dann bäuchlings auf den Boden und schiebt den Kopf durch den Rahmen. Dort unten, auf dem harten Asphalt, von einer Hoflaterne beleuchtet, muss er doch liegen, der zu Tode gestürzte Mann mit dem Koffer! Aber denkste! Dort, auf dem harten Asphalt, ist nichts!
    Folglich muss das schläfrige seltsame Wesen einfach fortgeflattert sein, so wie ein Vögelchen, ohne die geringste Spur zu hinterlassen! Annuschka schlägt ein Kreuz und sagt sich: »Puh, also wirklich! Die Nummer 50! Tja, nicht umsonst reden die Leut’! … Nette Wohnung! …«
    Sie stockt. Da knallt oben schon wieder die Tür. Und ein Zweiter läuft die Treppe herunter. Annuschka drückt sich an die Wand und erblickt einen ziemlich soliden Herrn. Mit Bärtchen. Obwohl das Gesicht einem Ferkel ähnelt. Er saust vorbei und verlässt das Haus – genau wie der Erste – direkt durchs Fenster. Denkt auch gar nicht daran, unten aufzuschlagen. Annuschka weiß schon nicht mehr, wo sie hinwill. Sie steht starr auf den Stufen, staunt Klötze, bekreuzigt sich, führt Selbstgespräche.
    Der Dritte endlich hat ein rundes Gesicht. Glatt rasiert. Trägteinen Bauernkittel. Er kommt eine kurze Weile später von oben gelaufen und entfleucht – durchs Fenster.
    Zu Annuschkas Ehrenrettung muss gesagt werden, dass sie eine wissbegierige Person war. So beschließt sie, noch ein wenig zu warten. Vielleicht geschehen ja weitere Wunder. Und wieder öffnet sich oben die Tür. Diesmal kommt eine ganze Truppe heraus. Ohne Eile – wie ganz normale Menschen. Annuschka hüpft vom Fenster weg. Steigt herunter zur Wohnungstür. Schließt sie rasch auf. Versteckt sich dahinter. Aber durch den winzigen Spalt glänzt ihr vor Neugier rasendes Auge.
    Irgendein Kranker – oder auch nicht. Auf jeden Fall seltsam, bleich und bärtig. Im schwarzen Mützchen und Hausmantel. Der Schritt reichlich wackelig. Beim Gehen hilft ihm so ein junges Fräulein in einem schwarzen … Priesterrock? Schwer zu sagen bei dem schlechten Licht. Dieses Fräulein läuft barfuß – oder auch nicht. Die Schuhe jedenfalls sind völlig durchsichtig. Bestimmt Importware. Und ganz zerfleddert. Was Schuhe! Jesses! Das Stück ist ja nackt! Richtig: Unter dem Priesterrock – nichts drunter! Nette Wohnung! Köstlich! Da werden die Nachbarn aber ganz schön dumm aus der Wäsche gucken morgen!
    Dem Fräulein folgt ein splitternacktes Weib mit einem Köfferchen in der Hand. Und neben ihr scharwenzelt ein schwarzer Kater. Annuschka reibt sich verdattert die Augen. Einfach zum Schreien!
    Am Ende des Festzugs ein Ausländer. Klein, humpelt, schielt. Ohne Anzug. Nur weiße Frackweste plus Binder. Diese ganze Gesellschaft schlendert vorbei. Da klirrt etwas leise im Treppenhaus.
    Die Schritte verhallen. Wie eine Schlange schleicht Annuschka hinter der Tür hervor, stellt die Blechkanne neben der Wand ab, legt sich auf den Bauch und beginnt zu wühlen. Da: Eine Serviette mit was Schwerem darin. Sie wickelt das Bündel auseinander, und ihre Pupillen quellen heraus. Sie hält sich die Kostbarkeit nahe vor Augen, und diese Augen leuchten mit wölfischem Feuer. Im Kopf ein Wirbelwind: »Hab’ nix gehört! Hab’ nix gesehen! … Dem Neffen geben? Oder lieber in Stücke zersägen? … Die Steinchen kann man ja auch rausbrechen … Und dann einzeln: Ein Steinchen an der Petrowka … ein Steinchen am Smolenski-Markt … Und vor allem: Hab’ nix gehört! Hab’ nix gesehen! …«
    Annuschka steckt die Beute schnell weg, nimmt die Blechkanne und will in der Wohnung verschwinden. (Der Marsch in die Stadt kann ja nachgeholt werden.) Da taucht – wie aus dem Nichts – wie vom Teufel bestellt – dieser eine –, der mit der weißen Brust – ohne Anzug auf – und flüstert leise:
    – Her mit dem Hufeisen und der Serviette.
    – Was denn für eine Hufeisenserviette? –, fragt Annuschka und stellt sich dumm (übrigens, verdammt überzeugend!). – Weiß nix von irgendeiner Serviette! Sie haben wohl einen sitzen, Freundchen!
    Der mit der weißen Brust sagt nun gar nichts mehr. Fasst ihr mit seinen Fingern – fest wie Greifstangen in einem Autobus – und genauso kalt – an die Gurgel und drückt zu, sodass die Sauerstoffzufuhr in die Lunge vollkommen unterbrochen wird. Die Blechkanne fällt ihr aus der Hand. Der

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