Meister und Margarita
Mandarinen? –, wollte er dann wissen.
– Dreißig Kopeken das Kilo –, antwortete die Verkäuferin.
– Ui –, seufzte der andere, – tja … – Noch eine Weile dachte er nach und lud anschließend seinen Kumpel ein: – Na dann, lass es dir schmecken, Behemoth.
Der Dicke tat seinen Spirituskocher unter den Arm, bemächtigte sich sogleich der obersten Mandarine aus der Pyramide, verschlang sie auf der Stelle – mitsamt der Schale! – und machte sich über die nächste her.
Die Verkäuferin stand Todesängste aus.
– Ja, sind Sie denn völlig übergeschnappt! –, schrie sie, und ihre Wänglein verloren an Farbe. – Den Bon! Her mit dem Kassenbon! –, und sie ließ die Patisseriezange fallen.
– Geh, kommen S’, Kinderl, Sie hübsches Ding –, röchelte Korowjew, über die Theke gelehnt und der Verkäuferin bedeutsam zuzwinkernd, – mit Devisen schaut’s heute übel aus … Nix zu machen! … Nächstes Mal, Hand aufs Herz! Spätestens Montag! Bar auf die Kralle! Wir sind doch Nachbarn, nur ein Katzensprung … Dort, wo’s gebrannt hat … In der Gartenstraße …
Behemoth vertilgte in der Zwischenzeit die dritte Mandarine. Griff mit der Pfote an die ausgeklügelte Konstruktion aus Schokoladentafeln. Zupfte eine heraus – die unterste. Weshalb alles logischerweise zusammenbrach. Und fraß sie – mit dem Silberpapierchen.
Die Verkäufer hinter dem Fischstand versteinerten, ihre Messer fest in der Hand. Aber der fliederfarbene Ausländer wandte sich den Plünderern zu. Schon wurde klar, dass Behemoth falsch lag: In dieser Visage, da fehlte gar nichts. Im Gegenteil, hier war etwas viel zu viel – hängende Wangen und huschende Augen.
Völlig gelb geworden, schrie die Verkäuferin wehleidig durch das ganze Geschäft.
– Pawlossifowitsch! Pawlossifowitsch!
Auf diesen Schrei hin strömte das Publikum aus der Kattunabteilung herbei, während Behemoth von den zarten Versuchungen der Konditoren etwas Abstand nahm. Stattdessen grabschte er in das Fass mit der Aufschrift »Kertscher Feinschmecker-Hering«, zog ein paar Exemplare hervor, verspeiste sie und spuckte die Schwänze aus.
– Pawlossifowitsch! –, ertönte noch einmal der Verzweiflungsschrei an der Süßwarentheke. Und der Fischverkäufer mit dem Ziegenbärtchen schnauzte:
– Ja, sieht du denn nicht, was du anstellst, Mistkerl?!
Da rannte Pawel Iossifowitsch bereits eiligst zum Ort des Geschehens. Ein respektheischender Herr. Sauberer weißer Chirurgenkittel. Ein Bleistift in der oberen Tasche. Pawel Iossifowitsch bewies Erfahrung: Schon der dritte Heringsschwanz im Maul? – Bestens. Situation erfasst. Klarer Fall. Keine weiteren Diskussionen mit der Schweinebande. Nur einmal kurz winken und befehlen:
– Die Trillerpfeife!
Aus den Spiegeltüren stürzte der Portier zur Ecke vom Smolenski und pfiff furchteinflößend. Das Publikum begann, die Flegel zu umstellen, doch Korowjew nahm sich der Sache an.
– Leute! –, schrie er mit säuselnder Stimme. – Ja, hallo, wo führt das denn alles noch hin? Wird man doch wohl noch fragen dürfen! Arm wie eine Kirchenmaus –, Korowjew gab noch eine Prise tremolo dazu und zeigte auf Behemoth, der augenblicklich eine weinerliche Fratze aufsetzte. – Arm wie eine Kirchenmaus, der Mann! Malocht Tag und Nacht an Spirituskochern! So einer hat doch auch mal ein Loch im Bauch! Und wo soll der bittschön Devisen herkriegen?
Worauf Pawel Iossifowitsch, sonst ruhig und gefasst, verärgert ausrief:
– Das kannst du dir abschminken! –, und winkte in die Ferne, diesmal ungehalten. Was das Trillern am Eingang etwas heiterer machte.
Doch Korowjew ließ sich durch Pawel Iossifowitschs Auftritt keineswegs stören und jammerte weiter:
– Genau! Woher! Frage ich alle! Hat Hunger und Durst! Ihm ist zu heiß! Na gut, da probiert er halt so ’ne Mandarine. Ist doch läppisch! Kost’ keine drei Kopeken! Da veranstalten die gleich so ein Pfeifkonzert, trällern los, wie Nachtigallen im Frühling! Bemühen unnötig die Miliz, als hätte die nix Besseres zu tun! Und was ist mit dem? Der darf das, wie? – Korowjew meinte den fliederfarbenen Dicken, was dessen Gesicht in derselben Sekunde in höchste Alarmbereitschaft versetzte. – Wer ist der? Wo kommt der überhaupt her? Wieso? Als hätten wir den hier vermisst! Haben wir den etwa hergebeten? Na klar doch! –, krakeelte der Exchorleiter aus vollem Halse mit spöttisch verzogenem Mund. – Da läuft der glatt rum in Festklamotten! In Lila! Und
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