Meister und Margarita
leider als wenig geglückt. So war der Chevalier dazu verdammt, etwas mehr und länger zu scherzen, als er ursprünglich vorgehabt. Doch die heutige Nacht ist also beschaffen, dass in ihr alle Rechnungen beglichen werden. Und der Chevalier hat die seine beglichen und ein für allemal abgeschlossen!
Die Nacht hatte auch Behemoth den gebauschten Schwanz abgerissen, ihm das Fell abgezogen und es in Büscheln über den Sümpfen zerpflückt. Er – Kater und Kurzweil des Herrn der Schatten – ward zum schmächtigen Jüngling, zum dämonischen Pagen, zum besten Hofnarrn, den die Welt je geschaut. Auch er schwieg und schwebte lautlos, das junge Gesicht vom Mondlicht umspült.
Ganz außen, im Schillern des stählernen Panzers, flog Azazello. Und auch sein Aussehen – vom Mond verklärt. Spurlos verschwunden war der alberne und überaus scheußliche Stoßzahn, das Schielen erwies sich als falscher Schein. Beide Augen – schwarz und leer – in diesem Gesicht – weiß und kalt – glichen einander vollkommen. Da flog der richtige Azazello – der Dämon der dürren Wüste – der Mörder.
Sich selbst nahm Margarita nicht wahr, umso mehr aber den verwandelten Meister, dessen Haar im mondenen Glanz weiß strahlte, sich hinten zu einem Zopf knüpfte und im Wind rauschte. Und jedes Mal, wenn der Umhang von den Füßen fortgeweht wurde, entbrannten und verloschen auf den Kanonenstiefeln die Sporengestirne. Genau wie der dämonische Jüngling starrte er unverwandt – aber lächelnd! – den Mond an, den guten alten Bekannten. Dabei murmelte er nach alter Gewohnheit von Zimmer Numero 118 irgendetwas vor sich hin.
Zuletzt flog auch Woland in seinem wirklichen Anblick. Wie hätte Margarita sagen können, woraus dieser Pferdezügel gemacht ist? Aus lunarem Geschmeide? Und dieses Pferd: Nur ein Klumpen Dunkelheit? Und diese Mähne: Nur eine Wolke? Und diese Sporen: Nur weiße Flecken von Sternenlicht?
Sie flogen schweigend sehr lange Zeit, bis auch die Gegend sich neu gestaltete. Die traurigen Wälder – und mit ihnen die matt gewordenen Säbel der Flüsse – ertranken in der irdischen Dämmerung. Sie flogen über den irrwischhaft flimmernden Felsblöcken, dazwischen – vom Mondschimmer unerreicht – ein Gefälle aus schwarzen Lücken.
Auf einem flachen freudlosen Berggipfel hemmte Woland den Gang seines Pferds. Von da an fielen die Reiter in Schritt zum Knirschen der Feuersteine unter den Hufen. Der Mond übergoss das Plateau grell grün. Margarita schaute in die leere Gegend: Ein Sessel und darin – weiß – ein Mann. Taub oder in Gedanken versunken. Er verharrte regungslos, obwohl der Kieselgrund, dank der Schwere der Tiere, dröhnte und bebte. Und der ganze Tross näherte sich ihm.
Margarita schaute. Und der Mond war dabei eine große Hilfe. Besser als die beste elektrische Leuchte. Margarita schaute. DieAugen des Mannes. Sind die etwa blind? Er reibt sich die Hände. Er richtet die Augen – eben diese blinden – auf die Scheibe des Mondes. Margarita schaute. Neben dem wuchtigen steinernen Sessel – voll Mondgefunkel – liegt dunkel, gewaltig, mit spitzen Ohren, ein Hund und blickt, genau wie sein Herr, unruhig aufwärts zum Mond. Zu Füßen des Sitzenden rings verstreute Scherben eines zerbrochenen Krugs und eine weit ausgebreitete, niemals trocknende, schwarzrote Lache.
Die Reiter hielten die Rosse an.
– Ihr Roman –, wandte sich Woland an den Meister, – ist gelesen und begutachtet worden, und der einzige Einwand lautet: Er sei leider noch nicht zu Ende. Aus diesem Grunde beschloss ich, Sie mit Ihrem Helden zusammenzuführen. Fast zweitausend Jahre sitzt er hier – auf diesem Plateau – im Schlummer. Doch bei Vollmond plagt ihn, wie Sie sehen, die Schlaflosigkeit. Sie plagt nicht ihn allein, sondern auch noch seinen treuen Gefährten – den Hund. Wenn es stimmt, und das größte Laster ist die Feigheit, trifft den Hund allem Anschein nach keine Schuld. Das Einzige, wovor der sich fürchtete, waren Stürme. Nun gut – der Liebende hat das Geschick des Geliebten mitzutragen.
– Was redet er da? –, fragte Margarita, und ihr vollkommen entspanntes Gesicht überzog ein leiser Hauch von Mitleid.
– Er redet –, ertönte Wolands Stimme, – immer und immer nur von dem einen: von der Ruhe, die ihm nicht vergönnt ist – selbst zur Mondnacht! – von seinem schlechten Amt. So redet er immer, wenn er nicht schläft. Und wenn er schläft, sieht er immer dasselbe: einen mondenen Pfad, und will ihn
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