Meister und Margarita
Kirschbäumen, die gerade erblühen! Und sich abends an Schuberts Musik zu erfreuen? Sie verschmähen es wirklich, bei Kerzenlicht mit einem Gänsekiel zu kritzeln? Oder faustisch über einer Retorte zu brüten, in der Hoffnung, dass es Ihnen gelingt, einen neuen Homunkulus herzustellen? Hier entlang, hier entlang! Hier erwartet Sie ein Haus mit einem alten Diener. Die Kerzen brennen, aber nur kurz, denn schon bald begrüßt Sie ein neuer Tag. Hier entlang, Meister, hier entlang! Leben Sie wohl! Es wird Zeit für mich.
– Leben Sie wohl! –, riefen der Meister und Margarita wie aus einer Kehle. Darauf stürzte sich der schwarze Woland, ohne noch auf den Weg zu achten, in die Felsenkluft. Und auch sein Tross warf sich – ihm gleich – krachend herab. Und fort die Berge und das Plateau, der mondene Pfad und Jerschalajim. Samt ihnen entschwanden die schwarzen Rosse. Stattdessen – der verheißene neue Tag. Unmittelbar nach dem Mitternachtsmond. Der Meister und seine Gefährtin schritten im Licht der ersten Morgenstrahlen über die steinerne bemooste Brücke und überquerten sie. Der Bach blieb hinter den treuen Liebenden, sie aber folgten dem sandigen Weg.
– Lausche der Lautlosigkeit –, sagte Margarita zum Meister, und der Sand knisterte unter ihren nackten Sohlen, – lausche und genieße das, was du im Leben immer entbehrt hast – die Stille. Siehe, da vorn ist dein ewiges Heim, es ist dein Lohn. Schon erkenne ich venezianische Fenster und bis zum Dach rankende Reben. Siehe, dein Heim, dein ewiges Heim. Ich weiß, am Abend besuchen dich jene, die du lieb hast, an denen du Anteil nimmst, die deinen Frieden nicht gefährden. Sie spielen für dich und singen für dich, und das Zimmer ist hell, wenn die Kerzen brennen.Du schlummerst ein, mit deiner ewigen speckigen Schlafmütze auf dem Kopf. Du schlummerst ein und lächelst dabei. Und dein Schlaf stärkt dich und macht dich weiser. Mich aber wirst du nie wieder los. Und dein Schlaf ist in meiner Obhut.
Epilog
Was aber geschah nun weiter in Moskau, nachdem am Samstagabend bei Sonnenuntergang Woland die Hauptstadt verlassen hatte und zusammen mit seinem Gefolge von den Spatzenbergen verschwunden war?
Es muss nicht extra gesagt werden, dass noch lange Zeit in der Metropole ein schweres Gesumm aus den unwahrscheinlichsten Gerüchten ertönte und sogar in weit entfernte Provinzen drang. Sie zu wiederholen, wäre zu peinlich.
Selbst der Autor dieser wahrhaftigen Zeilen hat auf der Fahrt nach Theodosia im Reiseabteil die Version gehört, wonach in Moskau zweitausend Mann – buchstäblich splitternackt – aus dem Theater gekommen und in solchem Aufputz mit dem Taxi anschließend nach Hause gefahren seien.
Das getuschelte Wörtlein »Spuk« erklang in den Schlangen vor Milchläden, in Trams, in Geschäften, in Wohnungen, in Küchen, in Zügen (sowohl Nahverkehrs- als auch Fern-), auf Stationen und Zwischenstopps, in Ferienhäusern und an Badestränden.
Natürlich nahmen die besonders fortschrittlichen und kultivierten Zeitgenossen solcherlei Hirngespinste über die Heimsuchungen der Hauptstadt nicht wirklich ernst. Nein, sie mokierten sich darüber, bemüht, die Erzähler zur Vernunft zu bringen. Aber, wie es so schön heißt: Fakten bleiben nun einmal Fakten. Da beißt die Maus keinen Faden ab. Und wenn man sie nicht wahrhaben will, muss man sie erst widerlegen können. – Etwas war in der Stadt gewesen. Die Asche des Gribojedow und noch vieles andere spricht diesbezüglich eine deutliche Sprache.
Die kultivierten Zeitgenossen nahmen den Standpunkt der Ermittlungen an: Es handelt sich um die Arbeit einer Bande von Hypnotiseuren und Bauchrednern, die ihre Kunst mit Bravour beherrschen.
Maßnahmen, um sie zu ergreifen wurden in Moskau wie auch außerhalb auf der Stelle und mit Nachdruck ergriffen. Führten jedoch zu keinem Ergebnis. Welcher sich da als Woland ausgab, ist zusammen mit seinem Trupp verschwunden. Weder kehrte er nach Moskau zurück, noch erschien er irgendwo anders oder machte sich sonst wie bemerkbar. Klarer Fall: Er hat sich ins Ausland abgesetzt! Aber auch dort war er nirgends verzeichnet.
Die Ermittlungen zogen sich lange hin. Schließlich war es eine fürchterliche Geschichte! Von vier Hausbränden mal abgesehen, gab es Hunderte psychisch Geschädigter und – nicht zu vergessen – auch einige Leichen. Von zweien ließ sich das mit Sicherheit sagen: von Berlioz und diesem anderen Pechvogel aus dem Büro für Moskauer Sehenswürdigkeiten,
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