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Meister und Margarita

Meister und Margarita

Titel: Meister und Margarita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Bulgakow
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Vertreter des Poetenausschusses, als da sind: Pavianow, Blasfeminow, Süßlich, Schpitschkin, Adelphina Busdjak. Es tanzten mehrere junge Leute von gänzlich unbekanntem Gewerbe, Boxerhaarschnitt, die Schultern wattiert. Es tanzte ein Tattergreis mit Bart, daran klebte ein grüner Schnittlauchzipfel. Und ein ausgemergeltes junges Ding, recht angefressen von Anämie, im orangenen, knittrigen Seidenkleidchen.
    Schweißgebadet trugen die Kellner über den Köpfen beschlagene Bierkrüge und brüllten heiser und voller Hass: »Tut mir leid, mein Herr!« Irgendwo kommandierte eine Stimme durchs Sprachrohr: »Karischer eins! U-u-und Fleischtöpfchen zwei! U-u-und Flecksuppe Gospodaren-Art!!« Das piepsende Stimmlein sang nicht mehr, sondern heulte geradezu sein »Halleluja!«, Die rasselnden goldenen Becken der Jazzband übertönten zwischendurch das klirrende Besteck, welches die Tellerwäscher über eine schiefe Ebene in die Küche hinabwandern ließen. Kurzum: die Hölle.
    Und siehe, um Mitternacht ward in der Hölle eine Erscheinung. Auf die Veranda trat ein Prachtkerl im Frack – schwarze Augen, der Bart ein Dolch – und überblickte mit Herrschermiene sein Reich. Es raunen, es raunen die Mystiker von einer Zeit, da der Prachtkerl noch keinen Frack trug, sondern einen breiten Ledergurt um die Taille, hinter dem zwei Musketen steckten, und um das rabenschwarze Haar ein rotes Seidentuch, während im Karaibischen Meer, von ihm befehligt, eine Brigg unter düsterer Totenflagge mit dem Adamshaupt fuhr.
    Doch nein, es lügen die lockenden Mystiker! Es gibt in der Welt keine Karaibischen Meere, darin fahren auch keine gerissenen Filibuster, werden auch nicht von einer Korvette verfolgt, mit viel Kanonenrauch über den Wellen. Weder gab es noch gibt es dergleichen! Was es gibt, ist nur eine dürre Linde, ein gusseisernes Gitter und dahinter ein Boulevard … Und im Schälchen schmilzt ein Stück Eis, und vom Nachbartisch starren zweiblutgerötete Stieraugen, und es wird richtig unheimlich, richtig unheimlich … Ihr Götter, ihr Götter, ach, gebt mir, ach, gebt mir doch Gift! …
    Plötzlich flatterte von einem Tischchen das Wort »Berlioz!!« auf. Plötzlich zerbrach der Jazz, war verhallt, wie mit der Faust plattgehauen. »Was war das? Was? Was? Was?!!« – »Berlioz!!!« Und los ging es, hüpfend und kreischend …
    Ja, eine Sturmflut der Trauer brauste empor bei der schrecklichen Nachricht von Michail Alexandrowitschs jähem Ende. Jemand hetzte umher und schrie, es sei ein Gebot der Stunde – und zwar hier und jetzt! – und zwar ohne Aufschub! – und zwar alle zusammen! –, ein Telegramm aufzusetzen und es sofort zu versenden.
    Bloß was für ein Telegramm und wohin? – stellt sich uns die berechtigte Frage. Sollte man es denn wirklich versenden? Und vor allem: An wen? Wozu braucht überhaupt ein Telegramm – wohlgemerkt, ganz gleich welchen Inhalts – jemand, dessen zerschmetterter Hinterkopf sich gerade in der festen Gummihand des Prosektors befindet? Dessen Hals ein Professor der Medizin mit hakenförmigen Nadeln zersticht? Er ist halt tot und hat keinen Bedarf an etwaigen Telegrammen. Es ist vorbei, darum müssen wir nicht den Telegraphen unnötig belasten.
    Oh ja, er ist tot, er ist tot … Wir aber sind noch am Leben!
    Oh ja, die Sturmflut der Trauer brauste empor – hielt an – hielt an – und begann zu verebben: Einer begab sich schon wieder zu Tisch und tat sich – erst heimlich, und dann ganz offen – ein Schlückchen genehmigen und dazu eine Kleinigkeit essen. Sollen etwa die Hühnerbouletten de volaille sinnlos vergammeln? Womit könnten wir Michail Alexandrowitsch jetzt noch helfen? Etwa dadurch, dass wir hungrig bleiben? Aber wir sind ja noch am Leben!
    Es versteht sich eigentlich fast von selbst, dass der Flügel zugeklappt und geschlossen wurde. Die Jazzkapelle torkelte auseinander. Einige Journalisten fuhren in ihre Redaktionen, umNachrufe zu schreiben. Es hieß, Scheldybin sei jetzt direkt aus der Leichenhalle hergekommen. Er besetzte das Büro des Verstorbenen im oberen Stock, und schon verbreitete sich das Gerücht, er werde demnächst auch Berlioz’ Amt übernehmen. Scheldybin rief aus dem Restaurant alle zwölf Vorstandsmitglieder zusammen, und auf der außerordentlichen Besprechung, die daraufhin in Berlioz’ Büro stattfand, wurden dringliche Fragen behandelt: Die Draperie des Gribojedow’schen Säulensaals, der Transport der sterblichen Überreste aus der Leichenhalle in diesen

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