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Meister und Margarita

Meister und Margarita

Titel: Meister und Margarita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Bulgakow
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gestrige Tag hellte sich langsam auf. Doch wesentlich interessanter ist der heutige Tag. Insbesondere das Auftauchen eines Fremden in seinem Schlafgemach. Und dann noch mit Wodka und was zu essen. Wäre nicht schlecht, etwas Licht in die Sache zu bringen!
    – Ich hoffe, Sie können sich jetzt an meinen Namen erinnern?
    Aber Stjopa lächelte bloß verschämt und zuckte die Achseln.
    – Donnerwetter! Ich merke schon, Sie haben außer Wodka noch Portwein getrunken! Meine Herren, wer tut denn so etwas!
    – Ich darf doch sehr hoffen, das bleibt unter uns? –, fragte Stjopa unterwürfig.
    – Selbstverständlich! Nur für Chustow würde ich meine Hand nicht ins Feuer legen.
    – Sie kennen Chustow?
    – Seit gestern. Da sah ich dies Subjekt mal kurz in Ihrem Büro. Muss gestehen, ein flüchtiger Blick genügt, um zu wissen: Er ist ein Hetzer, ein Windhund, ein Speichellecker und ein Lump.
    »Stimmt genau!«, dachte Stjopa, ziemlich beeindruckt von einer so treffenden, präzisen und griffigen Charakteristik Chustows.
    Ja, der gestrige Tag fügte sich langsam aus winzigen Teilchen zusammen, und dennoch blieb der Direktor des Varieté besorgt. Die Sache ist die: Im gestrigen Tag klaffte ein riesiges schwarzes Loch. Zum Beispiel den fremden Herrn mit Barett hatte Stjopa gestern in seinem Büro, mit Verlaub gesagt, nie und nimmer gesehn.
    – Woland, Professor für schwarze Magie –, sprach der Besucher gewichtig, um Stjopa aus der Patsche zu helfen, und erzählte ihm alles nacheinander.
    Er war gestern aus dem Ausland nach Moskau gekommen und ohne Aufschub zu Stjopa gegangen – mit einem Gastspielangebot für das Varieté. Daraufhin hatte Stjopa bei der MoskauerKreistheaterkommission angerufen und die Angelegenheit dort geregelt (Stjopa erblasste und blinzelte fassungslos), mit Professor Woland einen Kontrakt über sieben Auftritte geschlossen (Stjopas Kinnlade fiel herunter) und verabredet, dass Woland zur Besprechung einiger Details heute Morgen um zehn Uhr bei ihm erscheine … Nun, Woland ist hier! Grunja, das Hausmädchen, hatte ihm aufgemacht und erklärt, sie habe die Wohnung auch selbst soeben betreten, denn sie arbeite hier nur. Berlioz sei nicht zu Hause. Aber wenn er Stepan Bogdanowitsch sehen wolle, so möge er doch dessen Zimmer aufsuchen. Stepan Bogdanowitsch schlafe nämlich so tief, dass sie nicht glaube, ihn wecken zu können. Als nun Stepan Bogdanowitschs Zustand erkannt worden war, hatte der Artist Grunja losgeschickt, um im nächsten Geschäft Wodka und Imbiss zu kaufen, aus der Apotheke ein wenig Eis zu besorgen und …
    – Was schulde ich Ihnen? –, stöhnte Stjopa völlig entgeistert und suchte nach seiner Geldbörse.
    – Ach, ich bitte Sie! Eine Lappalie! –, rief der Gastrolleur und wollte von all dem kein Wort mehr hören.
    Das mit Wodka und Imbiss war nun geklärt. Und doch gab Stjopa ein recht jämmerliches Bild ab: Keine Spur vom Kontrakt blieb im Kopf zurück, und – beim besten Willen – auch diesen Woland hier hatte er gestern nicht getroffen. Chustow, den schon, aber Woland nicht.
    – Dürfte ich den Kontrakt einmal sehn? –, bat Stjopa leise.
    – Aber sicher doch, aber sicher doch …
    Stjopa warf einen Blick auf das Papier und wurde froststarr. Alles war da. Als Erstes seine eigenhändige schwungvolle Signatur! An der Seite eine Notiz in der schrägen Schrift des Finanzdirektors Rimski. Dem Künstler Woland wurde hiermit ein Vorschuss in Höhe von zehntausend Rubeln auf die noch ausstehenden fünfunddreißigtausend für insgesamt sieben Vorstellungen bewilligt. Mehr noch – daneben Wolands Vermerk, er habe die Summe dankend erhalten!

    »Was ein Ding!«, dachte der arme Stjopa, vom plötzlichen Schwindel gepackt. Geht das jetzt etwa schon los mit unheilvollen Gedächtnislücken?! Versteht sich von selbst: Nach dem Begutachten des Kontrakts wären alle weiteren Verblüffungsbekundungen schlicht unanständig. Er bat den Gast, ihn für einen Moment zu entschuldigen, und trippelte – so wie er war, in Socken – durch den Flur ans Telefon. Noch beim Laufen rief er herüber zur Küche:
    – Grunja!
    Doch es kam keine Antwort. Da sah er die Tür von Berlioz’ Büro neben dem Eingang und erstarrte buchstäblich zur Salzsäule. Auf der Klinke baumelte eine gigantische Siegellackplombe. »Hallo!«, brüllte jemand in Stjopas Hirn, »das hat uns grad’ noch gefehlt!« Nun fuhren seine Gedanken zweigleisig, aber (ganz typisch für Katastrophen) nur in eine Richtung und überhaupt –

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