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Meister und Margarita

Meister und Margarita

Titel: Meister und Margarita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Bulgakow
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weiß der Teufel, wohin. Es fällt schwer, den Wirrwarr in Stjopas Kopf in Worte zu fassen. Erst dieser Spuk mit dem schwarzen Barett, dem kalten Wodka, dem Mirakelkontrakt. Und dann – bumm: Eine versiegelte Tür! Heißt das: Berlioz hätte was ausgefressen? Das glaubt doch kein Mensch, nein, nie im Leben! Und doch ein Siegel, da, sehen Sie selbst! So kann es halt kommen …
    Auf einmal schwirrten durch Stjopas Hirn hässliche kleine Gedankensplitter. War es zum Beispiel wirklich nötig gewesen, Michail Alexandrowitsch für dessen Zeitschrift jenen Artikel in die Hand zu drücken? Unter uns gesagt, einen blöden Artikel! Ganz unmotiviert und auch unterbezahlt …
    Auf die Erinnerung an den Artikel folgte unmittelbar eine zweite: nämlich die an ein delikates Gespräch mit Michail Alexandrowitsch. Am vierundzwanzigsten April? Hier im Speisezimmer? Beim Abendessen unter vier Augen? Na ja, delikat im strengen Sinne war es ja nicht (auf ein solches Gespräch hätte sich Stjopa nie eingelassen). Bloß vom Thema her gänzlich überflüssig. Ja, Freunde, man hätte es guten Gewissens sein lassen können. Zweifellos: Vor dem Siegel an der Tür wäre das Gesprächnicht der Rede wert, geradezu eine Bagatelle! Aber jetzt, nach dem Siegel …
    »Ach, Berlioz, Berlioz!«, kochte es auf in Stjopas Kopf. »Einfach unfassbar!«
    Doch er hatte kaum Zeit, groß herumzuflennen, und wählte die Nummer von Rimski, dem Finanzdirektor des Varieté. Stjopas Lage war schon ein wenig prekär: Zunächst einmal könnte es den Ausländer kränken, dass er ihn trotz Kontrakt überprüft. Und dann das Gespräch mit dem Finanzdirektor selbst – wahrlich kein Kinderspiel: Im Ernst, soll man fragen: »Sagen Sie bitte, habe ich gestern mit dem Professor für schwarze Magie einen Kontrakt unterzeichnet? Über fünfunddreißigtausend Rubel vielleicht?« Nein, ausgeschlossen!
    – Hallo? –, erklang aus der Muschel Rimskis schroffe, unfreundliche Stimme.
    – Guten Morgen, Grigorij Danilowitsch –, sagte Stjopa leise, – hier spricht Lichodejew. Folgendes … hmm … hmm … Ich treffe mich gerade mit diesem … Artisten … mit Woland … Tja … und da wollte ich eben mal horchen: Die Abendvorstellung … Wie schaut’s denn aus? …
    – Ach so, der Schwarzmagier! –, erwiderte Rimski im Hörer. – Die Plakate kommen jeden Moment.
    – Aha –, versetzte Stjopa mit leiser Stimme, – na dann, bis nachher …
    – Wann sind Sie denn hier? –, fragte Rimski.
    – So in dreißig Minuten –, sagte Stjopa, legte auf und fasste sich an die heißen Schläfen. Das wird ja allmählich gar nicht mehr lustig! Hilfe, liebe Leute! Einfach alles futsch!
    Noch längere Zeit im Flur zu verweilen, wäre doch jetzt viel zu respektlos. Also schmiedete Stjopa rasch einen Plan: Seine ganze unglaubliche Vergesslichkeit nach Kräften verbergen und als Erstes geschickt in Erfahrung bringen, was der Ausländer heute Abend im Stjopa anvertrauten Varieté denn überhaupt zu zeigen gedenkt.

    Nun wandte er sich vom Telefon ab und sah im Spiegel, welcher dort hing und von der faulen Grunja schon seit Langem nicht mehr geputzt worden war, sehr deutlich irgendeinen seltsamen Typen – schmal wie ein Span und mit einem Zwicker. (Ach, wäre Iwan Nikolajewitsch hier! Er hätte den Typen sogleich erkannt!) Der spiegelte sich nur kurz und verschwand. Stjopa blickte beunruhigt in den Flur hinein und bekam zum zweiten Mal einen Schlag: Durch den Spiegel stolzierte ein prächtiger schwarzer Kater – und auch dieser verschwand.
    Stjopas Herz stockte, er taumelte. »Hach, was war denn das schon wieder?«, dachte er. »Bin ich vielleicht verrückt? Wo kommen die alle auf einmal her?!« Er schaute erneut in den Flur, rief erschrocken:
    – Grunja! Hier streunt so ein Kater herum! Was soll das? Und da war noch irgendjemand!
    – Nur keine Bange, Stepan Bogdanowitsch –, antwortete ihm eine Stimme, nicht Grunjas, sondern die des Gastes vom Schlafzimmer aus. – Es ist mein Kater. Entspannen Sie sich. Und Grunja ist fort. Ich erlaubte ihr, nach Woronesch zu fahren. Die meinte doch glatt, Sie hätten ihren Urlaub einkassiert.
    Diese Worte kamen so überraschend und klangen derart absurd, dass Stjopa sich offensichtlich verhört hatte. So trottete er, vor den Kopf gestoßen, zurück ins Zimmer und blieb erstarrt auf der Schwelle stehen. Sein Haar geriet in Bewegung, auf der Stirn verstreuten sich winzige Tröpfchen Schweiß.
    Der Gast im Schlafzimmer war nämlich keineswegs allein,

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