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Meister und Margarita

Meister und Margarita

Titel: Meister und Margarita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Bulgakow
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er sich über die Schenkel: Hatte er eine Hose an? Nicht? Endlich wurde ihm klar: Er ist allein und auf sich gestellt. Niemand greift ihm unter die Arme. Also aufstehen, möge es auch unendliche Mühe bereiten.
    Stjopa riss die verklebten Augen auf und sah sich im Pfeilerspiegel: einen Menschen mit wirr gesträhntem Haar, mit gedunsener und vor schwarzen Stoppeln strotzender Visage, mit versülzten Pupillen, im schmutzigen Hemd samt Schlips und Kragen, Unterhose und Socken.
    Er sah sich selbst im Pfeilerspiegel. Und gleich daneben einen wildfremden Mann: Schwarzer Anzug, schwarzes Barett.
    Stjopa setzte sich hin aufs sein Lager und glotzte mit blutunterlaufenen Augen was das Zeug hielt den Unbekannten an.
    Das Schweigen brach dieser Unbekannte. Seine schwere tiefe Ausländerstimme sprach Folgendes:

    – Guten Tag, allerwertester Stepan Bogdanowitsch!
    Es entstand eine Pause. Stjopa unternahm eine enorme Anstrengung und stammelte:
    – Was wünschen Sie? –, und staunte selbst. War es seine Stimme? Das Wort »was« erklang im Falsett, das »wünschen« im Bass, während das »Sie« nun gänzlich missraten war.
    Der Fremde lächelte wohlwollend, holte eine große Golduhr hervor, auf dem Deckel ein Dreieck aus Diamanten, ließ sie elfmal läuten und sagte:
    – Es ist elf! Und genau seit einer Stunde sitz’ ich in Erwartung Ihres Erwachens. Sie haben mich für zehn Uhr herbestellt? Nun denn: Hier bin ich!
    Stjopa ertastete auf dem Stuhl neben dem Bett eine Hose und flüsterte:
    – ’tschuldigung … –, zog sie an und fragte heiser: – Wie war noch der Name?
    Das Sprechen fiel schwer. Bei jedem Wort steckte ihm jemand Nadeln ins Hirn, was infernalen Schmerz verursachte.
    – Ach ja? Selbst mein Name ist Ihnen entfallen? – Der Fremde musste schmunzeln.
    – Sie verzeihn … –, röchelte Stjopa. Oje. Mal was ganz Neues. Sogar für einen Katzenjammer: Der Boden neben dem Bett schob sich fort, während Stjopa selbst jede Sekunde drauf und dran war, kopfüber zum Teufel zu fahren, geradewegs in die Hölle.
    – Mein lieber Stepan Bogdanowitsch –, sprach erneut der Besucher, einfühlsam lächelnd, – kein Pyramidon der Welt kann Ihnen helfen. Halten Sie sich an den guten alten Brauch, Gleiches mit Gleichem zu heilen. Das Einzige, was Sie jetzt wiederbelebt, sind zwei Schluck Wodka. Dazu etwas Heißes und Scharfes.
    Stjopa war ein ziemliches Schlitzohr. Sein Zustand hinderte ihn nicht daran, zu erkennen: Nun bist du schon in dieser Verfassung erwischt worden, dann hat es auch keinen Sinn mehr zu leugnen.

    – Ehrlich gesagt –, begann er mit lahmer Zunge, – hab’ ich gestern Abend ein bisschen über die Stränge …
    – Halt! Sagen Sie nichts! –, versetzte der Gast und rollte mitsamt dem Sessel zur Seite.
    Und Stjopa staunte Klötze. Auf dem Tischchen ein gedecktes Tablett: Geschnittenes Weißbrot, gepresster Kaviar im Schälchen, ein Tellerchen mit marinierten Steinpilzen, irgendetwas im Topf und schließlich Wodka in der bauchigen Juwelierswitwenkaraffe. Die Karaffe – hoho! – vor Kälte beschlagen. Ach so, sie steht ja auch in einer Schüssel voll Eis. Kurzum, saubere, fachmännische Arbeit.
    Der Fremde gab Stjopas Verblüffung kaum Zeit, bis zum krankhaften Stadium anzusteigen und schenkte ihm geschickt ein halbes Glas ein.
    – Und Sie? –, piepste Stjopa.
    – Aber gern!
    Mit zappelnder Hand führte Stjopa das Glas an die Lippen, während der Unbekannte den Inhalt des seinen auf ex herunterkippte. Stjopa kaute am Kaviar herum und zwängte aus sich die Worte heraus:
    – Und was ist mit Ihnen? … Nachessen, meine ich …
    – Haben Sie vielen herzlichen Dank, ich esse nie nach –, erwiderte der Fremde und schenkte sich zum zweiten Mal ein. Sie hoben den Topfdeckel – darunter fanden sich Würstchen in Tomatensauce.
    Da schmolz auch schon das verdammte Grün vor den Augen, die Wörter wurden aussprechbar, das Wichtigste aber: Stjopa begann, sich wieder des einen oder anderen zu entsinnen: Gestern. In Skhodnja. Beim Sketcheschreiber Chustow. In der Datscha, wohin dieser ihn brachte. Und zwar mit einem Taxi. Ja, einem Taxi. Angehalten am Metropol. Und mit von der Partie noch so ein … Schauspieler? … Kein Schauspieler? … Hatte jedenfalls ein Grammophon im Koffer dabei. Ja, ja, ja, es war auf der Datscha! Und von dem Grammophon haben noch die Hunde gejault.Allein die Dame, die er küssen wollte, blieb ungeklärt … Weiß der Kuckuck, wer sie ist … Vom Radio oder so …
    Das heißt, der

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