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Meister und Margarita

Meister und Margarita

Titel: Meister und Margarita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Bulgakow
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vielmehr in Gesellschaft. Den zweiten Sessel hatte nun dieser Typ aus dem Flur besetzt. Bestens zu sehen: Gefiederter Schnurrbart – ein Zwickerglas glänzt – das andere fehlt. Doch es gab noch wesentlich schlimmere Sachen: Auf dem Sitzkissen der Juwelierswitwe machte sich lässig ein Dritter breit – ein ungeheurer schwarzer Kater. In der einen Pfote das Wodkaglas. In der anderen die Gabel und darauf gespießt ein marinierter Pilz.
    Das ohnehin schwache Licht im Raum verdämmerte ganz inStjopas Augen. »Sieh an, so wird man also verrückt!«, dachte er und griff nach dem Türrahmen.
    – Ich sehe, es verblüfft Sie ein wenig, teuerster Stepan Bogdanowitsch? –, erkundigte sich Woland beim zähneklappernden Stjopa. – Indessen besteht dafür gar kein Grund. Darf ich vorstellen: Meine Truppe.
    An dieser Stelle leerte der Kater sein Glas, und Stjopas Hand glitt am Türrahmen ab.
    – Solch eine Truppe erfordert Platz –, sagte Woland weiter, – darum ist wohl einer von uns hier in der Wohnung zu viel. Und ich hege den starken Verdacht, dieser eine sind Sie!
    – Die sind’s, und wie die es sind! –, sang mit bockiger Stimme der lange Karierte, von Stjopa stets im Pluralis redend. – Die führen ja auch in letzter Zeit einen ziemlich schweinischen Lebenswandel. Betrinken sich, verkehren mit Frauen unter Ausnutzung der eigenen Position, drehen Däumchen, können auch nix, haben null Ahnung vom Gegenstand, welchen man ihnen anvertraut. Halten die Vorgesetzten am Schmäh!
    – Jagt den Dienstwagen unnötig rum –, petzte der Kater und kaute den Pilz.
    Und da zeigte sich in der Wohnung die vierte und letzte Erscheinung, als Stjopa, schon ganz zu Boden gesunken, mit schwacher Hand am Türrahmen kratzte.
    Jemand entstieg dem Pfeilerspiegel. Klein, aber außergewöhnlich breitschultrig. Eine Melone auf dem Kopf. Zwischen den Lippen ein gebleckter Stoßzahn. (Was die Fratze – auch sonst unvorstellbar hässlich – besonders ekelhaft machte.) Und dann noch das feurig rote Haar!
    – Überhaupt –, warf der Neuangekommene ein, – ist es mir völlig schleierhaft, wie der es bis zum Direktor geschafft hat! – Der Rotschopf sprach mehr und mehr durch die Nase. – Er ist ein Direktor wie ich ein Prälat!
    – Du hast nur wenig von einem Prälaten, Azazello –, versetzte der Kater und legte sich Würstchen aufs Brot.

    – Das meine ich auch –, näselte der Rote und sagte voll Ehrfurcht, zu Woland gewandt: – Messire! Ein Wink, und ich schmeiß den Kerl aus Moskau raus und schick ihn zum Teufel!
    – Husch, husch!! –, fauchte auf einmal der Kater und sträubte sein Fell.
    Schon drehte das Schlafzimmer sich um Stjopa. Er schlug den Kopf am Türrahmen auf und dachte, das Bewusstsein verlierend: »Ich sterbe …«
    Er starb jedoch nicht. Die Augen einen Spaltbreit öffnend, sah er was Steiniges unter sich. Rings herum aber rauschte etwas. Nun hob er die Lider und begriff: Es ist das Meer, das die ganze Zeit rauscht. Ja, besser noch – die Welle plätschert unmittelbar an seinem Fuß. Kurzum, er sitzt am letzten Ausläufer einer Mole. Und über ihm ein azurner, strahlend leuchtender Himmel. Im Rücken Felsen – und mitten darauf eine weiße Stadt.
    Tja, was tut man in solchen Fällen? Stjopa erhob sich, kaum Halt in den Beinen, und torkelte ans Ufer, die Mole entlang.
    Dort stand ein Mann, der rauchte und spuckte ins Wasser. Dann sah er Stjopa – mit irrem Blick – und hörte zu spucken auf.
    Und da legte Stjopa Folgendes hin: Er beugte die Knie vor dem fremden Raucher und murmelte:
    – Bitte, ich flehe Sie an! Wie heißt diese Stadt?
    – Na, servus! –, sagte der unnachsichtige Raucher.
    – Bin nicht betrunken –, erwiderte Stjopa heiser, – mir ist nur irgendetwas passiert … Bin krank … Wo befinde ich mich gerade? Wie heißt diese Stadt?
    – Wie wär’s mit Jalta? …
    Stjopa seufzte, fiel auf die Seite, stieß mit dem Kopf an das heiße Gestein der Mole. Das Bewusstsein verließ ihn.

Kapitel 8
Poet versus Professor
    Genau in dem Augenblick, als Stjopa in Jalta sein Bewusstsein verlor (das heißt um Mittag, gegen halb zwölf), erlangte es Iwan Nikolajewitsch wieder, nachdem er sehr lange und sehr tief geschlafen hatte. Eine Weile dachte er darüber nach, wie er in das fremde Zimmer gekommen ist – mit den weißen Wänden, dem wunderlichen Nachttisch aus hellem Metall, der bleichen Gardine, hinter welcher die Sonne zu fühlen war.
    Er schüttelte kräftig den Kopf und stellte fest, dass dieser

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