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Meistererzählungen

Meistererzählungen

Titel: Meistererzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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fallen ließen. Wir spra chen von Stadt und Land, von der Jagd und vom Th
    eater, auch

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    von der Kultur, die uns nahe herbeigekommen schien.
    Wir sprachen laut und zart, mit Feuer und mit Ironie, ernst und witzig, und schauten uns klug und lebhaft in die Augen. Erst spät, als der Abend beinahe vorüber war und das Män nergespräch sich zur Politik wandte, wovon ich wenig ver stehe, sah ich mir die eingelade-nen Damen an. Sie wurden von einigen jungen Malern und Bildhauern unterhalten, die zwar arme Teufel, aber sämtlich mit großer Eleganz geklei det waren, so daß ich ihnen gegenüber nicht Mitleid fühlen konnte, sondern Achtung und Respekt empfi nden mußte. Doch ward ich auch von ihnen liebenswürdig geduldet, ja als zugerei-ster Gast vom Lande freundlich ermuntert, so daß ich meine Schüchternheit ablegte und auch mit ihnen ganz brü derlich ins Reden kam. Daneben warf ich neugierige Blicke auf die jungen Damen.
    Unter ihnen entdeckte ich nun eine ganz junge, vielleicht neunzehn Jahre alt, mit hellblonden, kinderharten Haaren und einem blauäugigen, schmalen Märchenge-sicht. Sie trug ein helles Kleid mit blauen Besätzen und saß horchend und zufrieden in ihrem Sessel. Ich sah sie kaum, da ging auch schon ihr Stern mir auf, daß ich ihre feine Gestalt und innige, unschuldige Schönheit im Herzen begriff und die Melodie erfühlte, in welche eingehüllt sie sich bewegte. Eine stille Freude und Rührung machte meinen Herzschlag leicht und schnell, und ich hätte sie gerne angeredet, doch wußte ich nichts Stichhaltiges zu sagen. Sie selber sprach wenig, lä chelte nur, nickte und 103
    sang kurze Antworten mit einer leich ten, hold schwebenden Stimme. Über ihr dünnes Handge lenk fi el eine Manschette aus Spitzen, daraus die Hand mit den zarten Fingern kindlich und beseelt hervorschaute. Ihr Fuß, den sie spielend schaukelte, war mit einem feinen, ho hen Stiefel aus braunem Leder bekleidet, und seine Form und Größe stand, wie auch die ihrer Hände, in einem richtigen, wohlgefälligen Verhältnis zu der ganzen Gestalt.
    ›Ach du!‹ dachte ich mir und sah sie an, ›du Kind, du schö ner Vogel du! Wohl mir, daß ich dich in deinem Frühling se hen darf.‹
    Es waren noch andere Frauen da, glänzendere und verhei ßungsvolle in reifer Pracht, und kluge mit durch-dringenden Augen, doch hatte keine einen solchen Duft und keine war so von sanfter Musik umfl ossen. Sie sprachen und lachten und führten Krieg mit Blicken aus Augen aller Farben. Sie zogen auch mich gütig und nek-kend ins Gespräch und erwie sen mir Freundlichkeit, doch gab ich nur wie im Schlummer Antwort und blieb mit dem Gemüt bei der Blonden, um ihr Bild in mich zu fassen und die Blüte ihres Wesens nicht aus der Seele zu verlieren.
    Ohne daß ich darauf achtete, wurde es spät, und plötzlich waren alle aufgestanden und unruhig geworden, gingen hin und her und nahmen Abschied. Da erhob auch ich mich schnell und tat dasselbe. Draußen zogen wir Mäntel und Kragen an und ich hörte einen von den Malern zu der Schö nen sagen:

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    »Darf ich Sie begleiten?« Und sie sagte: »Ja, aber das ist ein großer Umweg für Sie. Ich kann ja auch einen Wagen nehmen.«
    Da trat ich rasch hinzu und sagte: »Lassen Sie mich mitge hen, ich habe den gleichen Weg.«
    Sie lächelte und sagte: »Gut, danke schön.« Und der Maler grüßte höfl ich, sah mich verwundert an und ging davon.
    Nun schritt ich neben der lieben Gestalt die nächtliche Straße hinab. An einer Ecke stand eine späte Droschke und schaute uns aus müden Laternen an. Sie sagte: »Soll ich nicht lieber die Droschke nehmen? Es ist eine halbe Stunde weit.« Ich bat sie jedoch, es nicht zu tun. Nun fragte sie plötzlich: »Woher wissen Sie denn, wo ich wohne?«
    »Oh, das ist ja gleichgültig. Übrigens weiß ich es gar nicht.«
    »Sie sagten doch, Sie hätten den gleichen Weg?«
    »Ja, den habe ich. Ich wäre ohnehin noch eine halbe Stun de spazierengegangen.« Wir schauten an den Himmel, der war klar geworden und stand voll von Sternen, und durch die weiten, stillen Straßen strich ein frischer, kühler Wind.
    Anfangs war ich in Verlegenheit, da ich durchaus nichts mit ihr zu reden wußte. Sie schritt jedoch frei und unbefan gen dahin, atmete die reine Nachtluft mit Behagen und tat nur hie und da, wie es ihr einfi el, einen Ausruf oder eine Frage, auf die ich pünktlich Antwort 105
    gab. Da wurde auch ich wieder frei und zufrieden und es ergab sich im Takt unserer Schritte ein ruhiges

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