Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Meisterin der Runen

Meisterin der Runen

Titel: Meisterin der Runen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
Vom Netzwerk:
deine vielen Krieger, die sich diesen bereits untertan gemacht haben. Was bleibt für uns?«
    Immer mehr Stimmen erhoben sich, immer mehr Fragen wurden laut.
    »Warum sollen wir dir folgen?«
    »Warum sollen wir dir die Treue schwören?«
    »Warum sollen wir gehorsam sein?«
    Gunnora trat näher. Richard hatte sie immer noch nicht bemerkt, so inständig suchte er die rechten Antworten, doch alle anderen sahen sie – sahen eine Frau mit langem schwarzem Haar in der Kleidung einer Seherin, die sich einst im Wald damit Respekt verschafft hatte, sahen eine Frau mit der Haltung einer Königin und mit einem fruchtbaren Leib.
    Ob all das genügte, die Menschen für sich zu gewinnen, wusste Gunnora nicht, aber kurz gewann sie ihre Aufmerksamkeit, kurz herrschte Stille, und in diese Stille hinein sprach sie.
    »Glaubt mir! Folgt mir! Gehorcht mir!«
    »Warum?«
    »Weil ich eine von euch bin.«
    Das Schweigen hielt an, Blicke bohrten sich in sie, auch Richard starrte sie mit weit aufgerissenen Augen an. Er wirkte überrascht, verwirrt, dann wurde er sichtlich ungehalten. Noch brachte er kein Wort hervor, doch er nickte seinen Kriegern zu, auf dass sie sie fortbrachten. Gunnora hob ihre Hand, um ihnen Einhalt zu gebieten, und ob es nun diese machtvolle Geste war oder Arvids Eingreifen – die Männer wichen zurück. Gemurmel ertönte, doch ehe es so laut wurde, dass es ihre Worte übertönt hätte, begann sie mit jener tiefen, rauchigen Stimme zu sprechen, die die Menschen einst im Wald hatte glauben lassen, sie stünde den Göttern besonders nahe.
    »Ich bin eine Tochter des Nordens, ich bin das Kind von Dänen. Wir lebten, wie man lebt, wenn man seiner Sippe Ehre bereiten will, und doch lebten wir mehr schlecht als recht. Mein Vater teilte wie viele seinesgleichen die Hoffnung, dass wir in der Normandie ein besseres Leben haben. Mag sein, dass einige von euch hier etwas anderes gesucht haben als nur das tägliche Brot, Abenteuer vielmehr und Reichtum. In jedem Fall sind wir alle doch geeint von der Erwartung, dass wir in diesem Land etwas bekommen, das wir in der Heimat nicht haben können, und weil wir ein mutiges Volk und zugleich ein einsichtiges sind, haben wir unsere Heimat verlassen. Ja, ich bin eine von euch, ich bin eine Tochter des Nordens, aber nicht länger bin ich nur Tochter, sondern auch Mutter.« Gunnora strich über ihren gerundeten Leib. »Ich trage ein Kind, wie ihr seht. Und es genügt mir nicht, dieses Kind zu gebären, ich will es auch in Frieden aufwachsen sehen. Wie ich ist es ein Kind des Nordens – aber nicht nur. Es ist auch das Kind von Graf Richard.«
    Aus den Augenwinkeln sah sie, wie er die Hand hob, sie erneut fortjagen lassen wollte, wenngleich seine Miene nicht länger zornig wirkte, vielmehr betroffen. Doch als die Männer auf sie losstürzten, besann er sich anders und schüttelte den Kopf. Hastig wandte er sich ab, auf dass sie nicht länger in seinem Gesicht lesen konnte, aber er blieb, um ihr zuzuhören, und sie fuhr entschlossen zu sprechen fort.
    »Mein Kind wird dänisch sein, aber auch normannisch, es stammt von Menschen ab, die Thor und Odin verehren, aber auch von solchen, die zu Christus beten. Es wird getauft werden, so wie ich mich taufen lassen werde, aber ich werde es nicht vergessen lassen, woher es kommt. Es wird nach manchen Sitten seiner Väter leben, aber auch nach denen der Franken. Schaut auf den Boden, auf dem ihr steht! Die Erde ist weich, Bäume können sich darin verwurzeln und Samen gesät werden, aber auch Blut kann darin versickern und Tote können begraben werden. Wir haben die Wahl: Die Erde kann nutzlos vertrocknen, oder wir bauen Häuser darauf und Straßen, auf denen die Wagen mit unseren Waren fahren. Wir entscheiden, welche Spuren wir hinterlassen, denn unser Schicksal ist nicht in Stein geschrieben, sondern auf Erde. Und wenn ihr wollt, dass sich diese Erde als saftig und fruchtbar erweist, müsst ihr Graf Richard folgen.«
    Ihre Worte hatten die Macht, die Menge zu bannen – ihr Schweigen nicht. Kaum verstummte sie, erhoben sich Stimmen voller Argwohn und Ablehnung.
    »Was immer du sagst, klingt schön, aber es hat nicht genügend Gewicht. Nenne uns einen guten Grund, warum wir ihm trauen sollen!«
    »Nun, weil ich ihm traue!«, hielt sie entgegen. »Obwohl ich aus dem Norden komme, hat er mich immer ehrenvoll behandelt. Hätte er mit mir ein Kind gezeugt, wenn er nicht auch euch als seine Kinder betrachtete?«
    »Aber wie willst du beweisen, dass du

Weitere Kostenlose Bücher