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Meisterin der Runen

Meisterin der Runen

Titel: Meisterin der Runen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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man ihr offen vorwerfen konnte. Seinfreda fürchtete sie schließlich – nur Gunnora nicht.
    Ich weiß, wie man Götter gnädig stimmt, ich kenne die Sprache des Waldes und verfüge über die Macht der Runen, ich fürchte nichts, dachte sie.
    Sie sah Hilde offen ins Gesicht, während sie ihren Brei kaute, und starrte später noch herausfordernder auf den Schlüssel an Hildes Gürtel, der eigentlich jetzt Seinfreda gehören sollte. Schließlich oblag der Ehefrau die Aufsicht über die Truhen mit den Kostbarkeiten und über die Speisekammer. Hilde dachte wohl nicht daran, ihn abzugeben, wirkte erst ein wenig unsicher, dann noch trotziger, erwiderte Gunnoras Blick und umfasste ihren Gürtel.
    »Glaub nicht, dass das Leben für dich einfacher wird«, flüsterte sie kaum hörbar.
    Obwohl Gunnora sie nicht mochte, war sie froh, keine unnützen Worte machen zu müssen, um die Fronten zu klären.
    »Ich werde meinen Beitrag leisten«, zischte sie zurück, »aber ich bin nicht deine Magd. Behandle mich nicht als solche.«
    Samo scharrte unruhig mit den Füßen, sein Lächeln schwand. Hilde schien den Sohn gar nicht zu bemerken.
    »Trag dein Näschen nicht zu hoch«, sagte sie. »Arbeit hat noch niemandem geschadet. Wir müssen sie tun, weil Adam und Eva gesündigt haben. Auf diese Weise tun wir Buße für diese Schuld.«
    Gunnora verschränkte die Hände vor der Brust: »Bei uns haben die Menschen ein gerades Rückgrat. Sie müssen nicht vor einem schwächlichen Gott zu Staube kriechen.«
    Empörung ließ Hildes Gesicht glühen. Sie wandte sich zum ersten Mal an diesem Morgen an Samo: »Lass dir solch heidnische Rede nicht gefallen! Sag auch etwas! Deine Frau muss dir künftig gehorchen, und deine Schwägerinnen müssen es umso mehr.«
    Samo sagte nichts, Seinfreda jedoch wandte sich flehentlich an sie: »Bitte … Nora.«
    Für gewöhnlich nannte sie sie nicht so, vor allem nicht vor anderen Menschen. Nora und Freda waren ihre geheimen Namen gewesen, als sie in der Kindheit gemeinsam gespielt und die Welt erforscht hatten.
    Gunnora schob die Schüssel beiseite und erhob sich ebenso langsam wie würdevoll. Erst starrte sie Hilde durchdringend an, dann Seinfreda: »Hör auf, dich zu winden! Lass dich nicht gängeln! Nur weil du seine Frau bist, bist du nicht machtlos, im Gegenteil. Sei ihm, was unsere Mutter unserem Vater war – eine weise Beraterin und die Herrin des Hauses. Unsere Mutter hat Geheimnisse gehütet, dafür gesorgt, dass die toten Ahnen in Erinnerung der Lebenden blieben, und manchmal die Zukunft vorausgesagt.«
    »Ich dulde keine Heidin unter meinem Dach!«, rief Hilde.
    Samo duckte sich noch tiefer. »Sie sollte sich taufen lassen …«, murmelte er in Seinfredas Richtung, »… dann ist alles gut.«
    Als der Priester da gewesen war, hatte er das nicht vorgeschlagen. Offenbar setzte er darauf, dass die Zeit alles regeln würde, die Mutter gütiger stimmen und Gunnora friedfertiger. Doch Gunnora hatte gelernt, dass der Zeit nicht zu trauen war. Sie heilte keine Wunden, und sie würde nichts an der Einsicht ändern, dass sie nicht länger nur Opfer sein wollte, sondern eine starke Frau.
    Sie reckte ihr Kinn. »Ich werde mich nicht taufen lassen. Nie. Ein Christ hat meine Eltern auf dem Gewissen. Ich hasse ihn wie seinen Gott.«
    Hilde kreischte auf, und Wevia schlug sich vor Schreck die Hände vors Gesicht. Duvelina begann zu weinen.
    Ihr Anblick rührte Gunnora und machte sie betroffen. Warum nur hatte sie die Schwester zum Weinen gebracht, warum sie nicht an sich gezogen, das lockige Haare gestreichelt, die weiche Haut im Nacken geküsst, die Süße gerochen und sich daran gelabt? Warum hatte sie diesen Streit vom Zaun gebrochen?
    Aber dann ging ihr auf, dass sie noch mehr als ihren Schwestern ihrem Erbe verpflichtet war.
    »Als du im Wald warst, hast du gewiss üble Zauberei getrieben!«, keifte Hilde.
    »Ich habe der Göttin Frigg ein Eichhörnchen geopfert«, gab Gunnora kühl zurück, »um diese Ehe zu segnen.«
    »Gunnora!«, rief Seinfreda entsetzt.
    Hildes Augen wurden kalt und hart. »Das darfst du nicht dulden«, herrschte sie Samo an, »sie hat nur eine Wahl: Entweder unterwirft sie sich unseren Sitten, oder sie verlässt unser Haus.«
    Samo tat nichts, er beugte seinen Kopf so tief, dass er beinahe die Tischplatte berührte, scharrte er weiter mit den Füßen.
    Als wäre er ein Huhn!, dachte Gunnora verächtlich.
    Sie wollte nicht abwarten, was er zu den Worten der Mutter sagte, wollte vor allem

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