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Melanie - Inside Joke - Claußtrophobia

Melanie - Inside Joke - Claußtrophobia

Titel: Melanie - Inside Joke - Claußtrophobia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Clauß
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nachdachte, was sein musste , weil anderes nicht sein konnte , wie Serie und Wirklichkeit zusammenhängen mochten und wie der Autor das Eine mit dem Anderen verquickte.
    Sein Flug wurde aufgerufen, er passierte die Kontrollen und wartete darauf, dass noch irgendetwas geschehen würde, was ihn von der Reise abhielt.
    Es geschah nichts. Eine kleine, nur halbvolle Propellermaschine hob pünktlich und sauber in den durchwachsenen Berliner Spätnachmittagshimmel ab. Der Pilot war gut gelaunt, die Flugzeit wurde mit einer Stunde und fünfunddreißig Minuten veranschlagt. Dr. Gebhard Schlier, der schon Dutzende Male geflogen war, fühlte sich, als beginne in diesen Minuten die erste echte Reise seines Lebens.
    Gewissermaßen stimmte das.

4
    Der Professor wollte den transparenten Kunststoffbecher mit dem Mineralwasser gerade zum Mund führen, als ihm der Inhalt des Bechers ins Gesicht hüpfte! Er hustete und keuchte und versuchte das Gefäß auf das ausgeklappte Tischchen zurückzustellen. Hinter ihm hatten ein paar Frauen aufgeschrien. Die Männer reagierten mit Verspätung. Jemand rief etwas auf Holländisch, ein Rheinländer lachte und rief: „Leck mich en de Täsch!“
    Nachdem der Professor sich das Wasser aus den Augen gewischt hatte, fühlte er sich nach vorne gezogen. Das Flugzeug kippte mit der Schnauze etwas nach unten, dann zurück, und die Lage normalisierte sich für einige Sekunden.
    Schlier starrte nach draußen. Der Himmel strahlte ihn freundlich an. Ein Blick auf die Uhr verriet ihm, dass sie seit einer knappen Stunde in der Luft waren. Wo blieben die beiden Stewardessen? Warum gab es keine Durchsage zu dem heftigen Ruck von eben?
    Er saß zwar auf dem Fensterplatz, doch da die beiden Sitze neben ihm leer waren, konnte er an den Gang rutschen. Das tat er auch, denn am Fenster fühlte er sich plötzlich nicht mehr wohl.
    Das heruntergeklappte Tischchen schnappte nun wild auf und ab. Es war aussichtlos, es zu schließen. Schlier, der weit vorne in der vierten Reihe saß, drehte den Kopf nach hinten. Im Korridor lag jemand. Es war die ältere der beiden Stewardessen. Sie hielt sich den Kopf. Von ganz hinten eilte die jüngere Flugbegleiterin heran. Als das Flugzeug erneut nach vorne absackte, hatte sie ihre auf dem Boden kauernde Kollegin eben erreicht, stolperte über sie und wurde gegen eine der Lehnen geschleudert, von der sie mit einem Aufschrei zu Boden glitt. Offenbar hatte sie bei dem Versuch, sich abzufangen, mit dem Schuhabsatz die Liegende getroffen, denn diese heulte ebenfalls auf.
    In der Sitzreihe auf der anderen Seite des Korridors saß eine junge, hellblonde Frau, die wie gebannt auf ihr Handy zu starren schien. Mussten Handys während des Fluges nicht abgeschaltet werden?
    Schlier hielt sich an der Rückenlehne des Sitzes vor ihm fest. Die Sauerstoffmasken fielen aus der Decke und zappelten umher wie nervöse Quallen. Er bekam beim dritten Versuch eine zu greifen und presste sie sich auf den Mund. Einige Sekunden lang kippte das Flugzeug so schnell, dass er glaubte, es würde sich überschlagen, und falls das nicht, dann würde es in der Mitte auseinanderbrechen. Doch dem Piloten gelang es, die Nase wieder nach oben zu reißen. Das Flugzeug flog. Es schlingerte, holperte, bebte, als rolle es über einen buckeligen Acker, und die Motoren gaben schreckliche, grollende Geräusche von sich, aber der Vogel flog.
    Die wenigen Handvoll Passagiere veranstalteten einen Heidenlärm. Irgendjemand – vermutlich Pilot oder Kopilot – gab etwas über die Lautsprecher durch. Es ging in dem Knarren der Flugzeughülle, dem Donnern der Motoren und dem Geschrei der Passagiere unter. Schlier hätte nicht einmal sagen können, ob die Durchsage in Deutsch, Holländisch oder Englisch erfolgte.
    Eine Frau ignorierte die Sauerstoffmaske, sprang auf und kümmerte sich um die Stewardessen. Ein Mann brüllte von seinem Sitz aus Anweisungen. Seiner Meinung nach mussten alle Passagiere in den hinteren Teil der Maschine umziehen. Ein anderer erklärte ihm, er sei wohl wahnsinnig und solle das Maul halten.
    Er fliegt wieder ruhig , sagte Schlier in Gedanken zu sich. Alles wird gut. Wenn sie Zeit haben, eine Durchsage zu machen, haben sie das Problem unter Kontrolle. Gott, werde ich meinen Studenten was zu erzählen haben! Das positive Denken funktionierte. Der Druck einer imaginären Kralle auf seiner Brust ließ nach. Probeweise nahm er die Maske vom Gesicht und testete die Luft. Sie war wie immer, kühl und voller

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