Meleons magische Schokoladen
seufzte.
„Vielleicht haben Sie recht.“
Meleon zog den Löffel durch die blendend weiße Masse in der Schüssel.
„Eiweiß mit Zucker über mäßiger Hitze aufgeschlagen“, sagte er. „Eine Krönung für heiße Schokolade, die ich kaum gesüßt habe. Das ist das Geheimnis aller großen Leckereien: der Bruch. Verbinde Cremiges mit Knusprigen, Festes mit Weichem, Süßes mit Bitterem!“
Er gab einen großen Klecks auf eine Tasse und reichte sie Isabell.
Isabell kostete schmelzenden Schaum, der sich mit herber Schokolade mischte.
Dann sagte sie: „Wissen Sie, weshalb ich gekommen bin?“
„Nun, meinetwegen nicht, wenn ich Sie recht verstanden habe“, sagte er mit einem schwer deutbaren Glitzern in den Augen.
„Nein, nicht Ihretwegen. Ich möchte lernen, Schokolade zu machen, nicht nur, sie zu verarbeiten. Wie kommt Meleons Schokolade zu ihrem Schmelz? Weshalb schmeckt sie so unvergleichlich anders als andere Schokoladen?“
Meleon musterte sie über seine Tasse hinweg.
„Wie sehr wollen Sie das wissen?“, fragte er.
„Sehr.“
Er verbeugte sich.
„Der Preis wird Ihnen zu hoch sein.“
Isabell schnaubte.
„Eine Heirat mit Ihnen – meinen Sie das?“
Meleon schüttelte den Kopf.
„Das meine ich nicht. Man nennt mich einen dunklen Magier, einen Mann, der Tyrannen den Weg bereitet und mit bösen Künsten bezaubert. Möglich. Aber ein Schuft bin ich nicht. Niemals könnte eine Heirat mit mir das Ergebnis von Zwang sein, ja, nicht einmal von kruder Magie. Mein Lehrmeister hat mich in Liebeszauber unterrichtet. Ich aber verwende solchen Zauber nicht.“
„Und Ihre Schokoladen?“, fragte Isabell.
Meleon verneigte sich tief.
„Nun schmeicheln Sie mir“, sagte er. „Meine Schokoladen sind nur das: Schokolade. Magie ist dabei nicht im Spiel, außer ich fertige Sekoy.“
„Sie haben mir den Preis nicht genannt, Herr Meleon.“
„Der Preis“, erwiderte er, „ist Hingabe. Hingabe an eine große Kunst. Die Bereitschaft, dieser Kunst ein ganzes Leben zu widmen. Niemals vollkommen zufrieden zu sein. Die Stärke, sich dem Alltag, den Verlockungen der Liebe, der Mutterschaft und allen anderen Verlockungen zu widersetzen, um etwas zu schaffen, dass die Seele erhebt, die Sinne kitzelt, reizt und befriedigt und Augenblicke tiefster Verzückung schenkt. Das ist der Preis, Isabell. Eine Ehe mit mir wäre dagegen eine Kleinigkeit.“
„Verstehe ich Sie richtig: ich könnte nicht heiraten? Keine Kinder haben?“
„Nein, nein, nein. Sie dürfen sich nur nicht wie andere Frauen von ihrer Berufung abhalten lassen. Viele Frauen lernen wahrhaft Wertvolles, doch lassen sie ihre Fähigkeiten brachliegen, sei es, weil der Mann erkrankt, sie Jahre ihres Lebens der Erziehung ihrer Kinder widmen oder aus tausenderlei anderen Gründen. Das, was ich zu lehren habe, fordert Vervollkommnung ein Leben lang. Dann werden auch die Belohnungen nach Ihrem Geschmack sein.“
Isabell musste lachen.
„Dann werde ich wohl bald auseinandergehen. Eigentlich wundere ich mich, dass ich nicht ganz furchtbar zugenommen habe.“
Meleon schnalzte.
„Niemand legt von Schokolade Gewicht zu. Höchstens von dem, was er außerdem zu sich nimmt. Aber das sind alles Dinge, die Sie lernen werden.“
„Also werden Sie mich unterrichten? Werden Sie mir zeigen, wie man Schmelz erzielt?“
Meleon musterte sie.
„Besitzen Sie die ernste Bereitschaft, Schokolade zum Mittelpunkt Ihres Lebens zu machen?“
Isabell war wider Willen beeindruckt von Meleons priesterlichem Ton.
„Widersprechen Sie sich nun nicht, Herr Meleon?“, fragte sie. „Hatte ich Sie nicht so verstanden, dass Sie wünschen, ich würde Sie zum Mittelpunkt meines Lebens machen?“
Er lächelte widerstrebend.
„Das wünsche ich. Sie hingegen wünschen, sich Anderem zu widmen. Was soll ich da tun? Die Schokolade verdient Hingabe. Würde ich Gleiches von mir behaupten, würden Sie mich nur wieder arrogant nennen. Und das wahrscheinlich zu recht.“
Isabell war um eine schlagfertige Antwort verlegen. Sie drehte die leere Tasse in den Händen. Da stürmte plötzlich Niklas die Treppe herauf.
„Zamera“, rief er. „Sie ist zurück!“
„Zamera?“, fragte Meleon scharf. „Hier?“
„Ja“, keuchte Niklas. „Und sie ist in einem furchtbaren Zustand. Zottelig, verletzt und abgezehrt.“
Meleon stellte seine Tasse ab.
„Kommen Sie“, sagte er.
Niklas öffnete die Hintertür.
Draußen lag etwas sehr Großes am Boden. Erst als Meleon mit einer
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