Meleons magische Schokoladen
war.“
„Selbstverständlich. Darf ich Ihnen ein Tütchen Marzipanhütchen mitgeben? Sie haben sicher von der Adventsverlosung gelesen. Es könnte also ein Los in dem Tütchen sein.“
„Ja, das ist zu liebenswürdig. Vielen Dank.“
Mit einer großen Tüte Konfekt verließ der Bürgermeister kurz darauf das Geschäft und sah an der Fassade hinauf, als erwarte er, eine Raubkatze würde sich im nächsten Moment aus dem Fenster im ersten Stock auf ihn stürzen.
An diesem Tag nahm Isabell wieder einmal Meleons Rezeptheft zur Hand und schlug wahllos eine Seite weit hinten auf.
Vinesa stand dort. Allerfeinste Mohnfüllung
Isabell dachte an die weißen Sekoy, die alle mit Mohn gemacht wurden, und beugte sich tiefer über das Blatt. Der Mohn musste mit dem Stößel im Mörser zerstoßen, nicht aber verrieben werden. Eine erkleckliche Menge Zucker kam dazu. Frische Zitronenschale. Ein Löffel weiße Schokolade. Ein Löffel Rum. Weißer Kakaolikör.
Isabell seufzte und blätterte weiter. Sie hatte nie von Kakaolikör gehört, geschweige denn von weißem. Halbherzig überlegte sie, die Küche danach abzusuchen, aber wenn die Füllung für Sekoy vorgesehen war – ein Gedanke, der ihr Herz schneller schlagen ließ – dann verbarg Meleon solch ausgefallene Zutaten gewiss vor dem Zugriff Unbefugter.
Gerne hätte sie sich stattdessen an der sonderbaren Maschine versucht, die er ihr als verfrühtes Hochzeitsgeschenk in die Kammer gestellt hatte, doch sie hatte nicht herausfinden können, wie man sie in Gang setzte. Und Niklas behauptete, er wisse nicht, wie man damit umging.
Diese Maschine besaß ein Schwungrad, mehrere Platten, die anscheinend aus Marmor gefertigt waren, dazu Walzen und diverse Hebel, aber es gab keine Beschreibung, auf welche Weise das Ganze zu benutzen war. Achselzuckend schlug Isabell eine andere Seite im Rezeptheft auf.
Sie war leer.
Neugierig geworden suchte sie das Heftchen ab. Drei Seiten hatte Meleon anscheinend vergessen zu beschriften. Andererseits sah ihm solch eine Nachlässigkeit gar nicht ähnlich.
Sie hielt eine der leeren Seiten gegen das Licht.
Nichts.
Vielleicht wollte Meleon die fehlenden Rezepte später einfügen. Unzufrieden nahm sich Isabell die Kirschtrüffel vor, die ihr schon einmal misslungen waren.
Sie misslangen auch dieses Mal.
Fast war sie froh, als Niklas nach ihr rief.
Im Laden standen sechs Kundinnen. Niklas hetzte herum, füllte mit einer versilberten Schaufel Gebäck in die Schale der Waage, hantierte mit Tütchen, und vor ihm auf der Theke standen schon zwei kunstvoll verpackte Geschenkschachteln.
Eilends half Isabell beim Verkauf.
Trotzdem gelang es nicht, auf diese Weise Frau Wieck zu besänftigen, die misslaunig darauf hinwies, sie warte nun schon eine geschlagene Viertelstunde. Um sie zu beschwichtigen, verehrte ihr Isabell eine Tüte mit Mandeltrüffeln als Dreingabe. Frau Wieck schnaufte, öffnete das Tütchen und begann unter den begehrlichen Blicken der anderen Kundinnen, die kleinen Köstlichkeiten in sich hineinzustopfen. Dann fischte sie mit ihren ringgeschmückten, dicken Fingern ein Zettelchen aus der Tüte.
„Was soll das bedeuten?“, fragte sie. „Da steht eine Zahl. Eine Eins. Weshalb befindet sich das in meiner Konfekttüte?“
Isabell rang sich ein Lächeln ab.
„Sie sind zu beneiden! Sie haben das erste Adventslos gezogen. Sie können es auf dem Pergament an der Tür nachlesen.“
Frau Wieck riss die Tür auf, ließ einen eisigen Luftzug herein und studierte den kurzen Text grimmig.
„Aha! Und wann bekomme ich meine Adventsüberraschung?“
Isabell überlegte fieberhaft, wo Meleon die Gewinne wohl verstaut haben mochte, da rutschte eine kleine, würfelförmige Kiste aus dem Regal unter der Theke direkt in ihre Hand.
„Hier ist sie schon“, sagte sie erleichtert. „Ich darf Ihnen dieses Präsent mit den besten Wünschen überreichen.“
„Was ist es?“, fragte Frau Wieck.
„Das hat Herr Meleon niemandem verraten.“
Die anderen Kundinnen schielten neidisch auf die Kiste, die aus Span geflochten und mit dunkelbraunem Satinband verschnürt war. Im ersten Augenblick sah es so aus, als wolle Frau Wieck die Verpackung rücksichtlos in Angriff nehmen, dann bemerkte sie die hungrigen Augen der Frauen ringsum, verabschiedete sich ganz unvermittelt und zog mit Kiste und Einkäufen von dannen.
Isabell kam nicht dazu, sich über die Ungerechtigkeit zu ärgern, dank derer ausgerechnet eine solch wenig sympathische Kundin den
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