Melina und das Geheimnis aus Stein
auffällt.
„Könnte die passen?“ Ich halte eine Hose hoch.
„Nee, Will hat längere Beine. Guck da drüben!“
Gerade bin ich dabei, eine Jeans in meinen Turnbeutel zu stopfen, da höre ich plötzlich im Jungenklo das Rauschen einer Toilettenspülung. Vor lauter Panik kann ich mich nicht mehr rühren.
„Los, versteck dich, da, unter den Bänken!“ Pippa rennt durch den Raum auf mich zu, um mir zu helfen. Es ist nicht weit, aber Pippas Beine sind kurz und ihre Schritte sind klein. Viel kleiner und leichter als die Schritte, die jetzt vom Jungenklo auf uns zukommen.
In letzter Sekunde hechte ich unter die Sitzbank. Dann geht die Klotür auf und große Schuhe quietschen herein. Direkt vor mir bleiben sie stehen, genau an dem Platz, von dem ich die Jeans genommen habe. Hoffentlich merkt der Junge nichts!
Ich presse meinen Rücken noch dichter an die kühle Wand, als wollte ich in ihr verschwinden. Zum Glück werde ich von einem Kapuzenpulli halb verdeckt. Jetzt weiß ich auch, woher der Geruch nach Kaugummi kommt. Über mir kleben Dutzende ausgekauter Fladen an der Unterseite der Bank. Das ist so eklig, dass ich am liebsten aufspringen würde. Aber das geht nicht, denn vor der Bank steht immer noch der Junge.
Er stützt seinen linken Fuß auf die Bank, um seine Schnürsenkel aufzuknoten. Kurz darauf poltert ein Straßenschuh neben mir auf den Boden. „Dieses Mal treffe ich!“, murmelt der Junge. Ich erkenne die Stimme: Es ist Maik. Ausgerechnet der!
Er schlüpft in weiße Sportschuhe, die so neu aussehen, dass sie fast leuchten. „Dieses Mal schieße ich nicht daneben wie beim Turnier am Wochenende!“, sagt er und zieht die Schnürsenkel fester. „Ich will gewinnen, gewinnen, gewinnen, gewinnen!“ Bei jedem „gewinnen“ kickt Maik mit seinem rechten Sportschuh die Luft. Kurz frage ich mich, ob er auch eine Pippa dabei hat, mit der er redet, wenn es schwierig wird. Vielleicht haben alle Menschen eine, doch man merkt es nicht, weil jeder sie versteckt.
Aber im Moment ist die einzige Figur, die ich zwischen Maiks Baumstamm-Beinen hindurch sehe, meine Pippa. Sie steht mitten in der Umkleide und schaut sich panisch um. Doch wenn sie jetzt losrennen würde, würde Maik sie garantiert entdecken. Er hat sich umgedreht und steuert auf den Ausgang zu.
Pippa erstarrt zur Playmobil-Figur.
Ich drücke die Daumen, dass er sie übersieht. Ich drücke so fest, dass es wehtut. Doch Maik bleibt direkt vor Pippa stehen. Mit einem verwunderten Schnauben stupst er sie mit dem Schuh an. Der Schuh muss für Pippa so groß sein wie für mich ein Auto. Maik holt aus und kickt. „ GEWINNEN !“, ruft er.
Das Auto rammt Pippa und schleudert sie quer durch den Raum.
Ich schreie lautlos in meine Hand. Im nächsten Moment fällt die Tür hinter Maik zu und wir sind allein. Ich winde mich unter der Bank hervor und stürze zu Pippa hinüber. „Oh Pippa, ist dir was passiert?“ Behutsam bette ich sie in meine Hand und hebe sie hoch, um sie genauer zu untersuchen. Ihre Ärmchen und Beinchen scheinen noch heil zu sein.
„Plastik vergeht nicht“, krächzt Pippa.
Erleichtert puste ich ein paar Staubflusen von ihrem kleinen Körper.
Wir niesen beide. Dann müssen wir lachen.
„Hol den Turnbeutel und dann nichts wie weg!“, ruft Pippa. Und genau so machen wir es.
Als ich in die Turnhalle komme, bin ich gerade noch rechtzeitig zum Wählen. Offenbar gab es schon Streit wegen der Mannschaften, denn unser Sportlehrer guckt ziemlich genervt. „Also, Maik und … wie heißt du noch mal? Etwas lauter bitte, ich hab es nicht verstanden. Ach ja, Melina. Die beiden hier sind noch übrig. Rote Mannschaft, ihr seid dran mit wählen. Wer soll zu euch kommen?“
Maik wirft der roten Mannschaft einen drohenden Blick zu. „Ähm, wir nehmen Maik“, sagt der Kapitän schnell. Die Roten begrüßen Maik mit Johlen und Handschlag. Aber ich glaube nicht, dass sie das tun, weil sie ihn besonders mögen oder weil er so ein toller Fußballer ist.
„Gut, dann geht Melina noch zu den Gelben“, bestimmt der Sportlehrer.
„Die könnt ihr gern haben, Jessie!“, ruft Maik. „Die schießt bestimmt nur Eigentore!“
„Wir werden ja noch sehen, wer hier die Eigentore schießt“, faucht Pippa in meiner Hosentasche. Ich bin mir sicher, sie hat auch noch nie jemanden so gehasst wie Maik. Aber ich lasse mir nichts anmerken. Ich stelle mich zu der Mannschaft mit den gelben Bändern und bin froh, dass ich bei Jessie bin. Die ist nämlich der
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