Melina und die vergessene Magie
Wechselbäder sind ja sehr gesund.« Damit wandte er sich dem Turm zu. »Du kannst gleich mit der Arbeit anfangen und später nachkommen.«
Offenbar wollte er sie hier stehen lassen.
»Wartet!«, rief Lianna verzweifelt. »Wie komme ich zurück in den Turm? Und beim nächsten Mal wieder raus?«
Der Zauberer blieb stehen. »Was findet Morzena nur an diesen Dorfmädchen, die keine Ahnung von Magie haben?«, schimpfte er leise. Und erwiderte dann laut: »Ich werde dir den Feuervogel runterschicken. Und Morzena versuchen zu erklären, dass ihre Dienerin ihr schönes Reittier ab jetzt zweimal am Tag benutzen muss – weil sie so dumm und unmagisch ist wie eine Grotteneule.«
Er schritt weiter aus und ließ Lianna nun wirklich stehen.
»Lehrling. Nicht Dienerin«, korrigierte sie wütend, als er schon weit entfernt war.
Ruckartig blieb er stehen. »Es kann ein bisschen dauern, bis dein Vogel kommt … kleines Dienstmädchen!«, rief er, ohne sich umzudrehen.
Hatte er sie etwa gehört?
»Aber das macht dir sicher nichts aus. Falls Morzena dich nicht wieder für ihre Teestunde braucht!«
Chulus
Als sie das Wirtshaus verließen, tauchten die ersten Strahlen der Sonne die Landschaft in ein tiefes Orange. Obwohl sie nicht viel geschlafen hatten, fühlte Melina sich ungewöhnlich wach.
»Hast du eigentlich eine Ahnung, wer diese Frau im Feuer war?«, fragte sie nachdenklich.
Tann schüttelte den Kopf. »Der Zauberer nannte sie Morzena. Wir werden Erel nach ihr fragen.«
Melina seufzte. Tann schien fest darauf zu vertrauen, dass sie ihn befreien konnten. Natürlich fühlte sie sich genauso verantwortlich für Erels Gefangennahme wie Tann. Obwohl ihr immer noch nicht klar war, was Erel bei der Feuerhütte gesucht hatte. Welches Geheimnis verbarg er vor ihnen?
»Meinst du, der Wirt weiß wirklich, wo Aryks Burg liegt?«
»Hütte«, korrigierte Tann, der gerade mit dem Mann am Tresen gesprochen hatte. »Der Wirt sprach von einer Hütte. Und ich vertraue ihm. Ein Gastwirt weiß oft mehr als die Spione eines Königs.«
Nachdem sie etwa eine Stunde lang dem Hohlweg gefolgt waren, hatten sie das Ende des Waldes erreicht. Vor ihnen lag eine sanfte Hügellandschaft mit Wiesen und exotischen bunten Wildblumen. Über den Himmel zog ein Schwarm gelber Vögel.
Tann und Melina verließen den Weg und liefen nun querfeldein. Das Gras reichte Tann hier bis zu den Knien, Melina sogar bis zur Hüfte, sodass sie etwas langsamer vorankam. Ein seltsames Gefühl, fand sie, als liefe sie durch Wasser, dessen Grund sie nicht sehen konnte. Einmal sprang etwas vor ihr auf, das ein Stück größer war als ein Hase und ähnlich schnell davonhüpfte. Allerdings war es grün und schuppig, und Melina hoffte, dass sich nicht noch mehr von den Dingern zwischen den Halmen verbargen.
Nach einer anstrengenden halben Stunde erreichten sie eine Holzhütte. Sie sah so ärmlich und baufällig aus, dass Melina nie darauf gekommen wäre, irgendjemand würde hier wohnen.
»Bist du sicher …?«, fragte Melina.
Tann zuckte mit den Schultern und ging voran, auf die Hütte zu. Doch plötzlich blieb er stehen und hockte sich ins Gras. Mit der Hand gab er Melina ein Zeichen, sich ebenfalls zu ducken. Sein erschrockenes Gesicht gefiel ihr gar nicht, und dann entdeckte sie den Grund: Im Schatten der Seitenwand lagen Chulus!
Ihr Fell glänzte silbern in der Sonne, beinahe metallisch. Es waren etwa zehn Tiere und sie sahen aus, als schliefen sie.
»Was jetzt?«, flüsterte Tann. »An denen kommen wir nie vorbei.«
Melina betrachtete die hundeartigen Wesen frustriert. Sollten sie etwa schon wieder fliehen müssen? Und Erel schon wieder zurücklassen? Seltsamerweise versetzte ihr der Gedanke einen Stich, als wäre sie dem Sänger etwas schuldig.
Sie starrte auf die schlaffen Körper und musste an den Nachbarshund Benji denken. Sein Bauch hob und senkte sich meist recht stark, manchmal zuckte auch eine Pfote. Diese Tiere aber sahen völlig … leer aus.
»Eigenartig!« Leise stand sie auf und schlich vorsichtig ein paar Schritte näher heran. Tann hielt sie am Ärmel fest.
»Bist du wahnsinnig? Das sind
Chulus
!«
Melina machte ein abwehrendes Handzeichen. »Irgendwas ist nicht normal an diesen Tieren.«
»An denen ist nichts normal!«, fluchte Tann.
Melina schüttelte den Kopf und ging noch näher. Tann folgte ihr widerwillig.
»Sieh nur«, flüsterte Melina. »Sie liegen da … als hätte man ihnen die Luft rausgelassen.«
Als Melina sich über eines
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