Melissas Welt (Mira und Melissa) (German Edition)
hätte nie gedacht, dass die so mies sind. Beata kann mich mal, ich habe die Nase voll von ihr und ihren bescheuerten Freunden. Wir waren wieder auf dem Kappelberg, in der Nähe vom Waldschlösschen. Anfangs war es okay, wir haben gechillt und Musik gehört und Tommi hat aus seiner Totenelegie vorgelesen. Abgefahrener Typ, aber okay. Beata hat ihn immer unterbrochen und ausgelacht, die alberne Tusse. Ich finde seine Gedichte gut. Traurig – aber gut, so voller Tiefe. Je mehr Beata getrunken hatte, umso stiller wurde sie, das ist das einzig Gute daran, wenn sie säuft. Ich rühr das Zeug nicht an. Ich glaube, sie mischt da noch was rein. Ihr Macker auf jeden Fall, der nimmt auch Extasy. Angeblich auch Crystal. Ich habe so eine Scheiß-Angst vor diesen Drogen. Und jetzt auch vor diesen Typen, die heute Nacht mitkamen. Einer hatte einen Hahn dabei. Er sagte, er wolle uns Gothicladies eine Freude machen und ihn schlachten und aus seinem schwarzen Blut unsere Zukunft vorhersagen, Ich dachte ja, der macht nur Spaß. Aber in der Tasche war ein echter Hahn. Und dann hat er dieses große Messer aus seinem Stiefel gezogen. Auf seiner Hand war ein Totenkopf Tattoo. Er war so high, dass er immer wieder taumelte. Fast wäre er mit dem Messer in Tommi reingefallen. Und dann hat er den zappelnden Hahn auf den Baumstumpf gelegt und wollte es wirklich tun. Aber ich bin dazwischen gegangen. Damit hatte er nicht gerechnet! Ich habe dem Mistkerl in die Eier getreten und eine Flasche auf seinem dämlichen Schädel zertrümmert. Den Hahn habe ich mir geschnappt und bin abgehauen. Seine Kumpel sind hinter mir her gerannt, fast hätten sie mich gefangen. Aber ich bin einfach den Hang runtergesprungen. Sie waren zu betrunken, um mir ernsthaft durch den Wald zu folgen. Scheiße, ich habe mir so die Beine aufgeschrammt, die Kratzer brennen wie Hölle. Und mein Auge schwillt auch langsam zu. Aber der Hahn, der ist jetzt bei mir in Sicherheit. Ich habe ihn den ganzen Weg vom Kappelberg bis nach Strümpfelbach unterm Arm getragen. Der Weg war so elend weit, zwei Mal habe ich mich verlaufen. Es war einfach zu dunkel. Ich habe mich dann hingesetzt und auf die Morgendämmerung gewartet, damit ich den Weg besser erkennen konnte. Das dumme Federvieh hat sich anfangs gewehrt und nach mir gehackt, aber dann wurde er immer ruhiger. Jetzt ist er im Kaninchenstall. Ich glaube, sein Flügel ist verletzt. Mamas Herz wohl auch. Ich schäme mich so.
Als ich wieder aufwachte, war es schon um die Mittagsstunde. Für ein paar gnädige Sekunden lang dachte und fühlte ich nichts, war nur schläfrig und entspannt. Dann kam mir mit einem Schlag alles ins Bewusstsein zurück und ich fühlte mich kränklich. Mein Magen tat weh. Ich schlug die Bettdecke zurück und griff nach meinem Morgenmantel. Als erstes wollte ich nach Miri sehen. Vielleicht schlief sie ja noch? Doch ihr Zimmer war leer. Gut, keine Aufregung, dachte ich mir. Muss nichts bedeuten, sie wird eben unten sein. Ich ging die Treppe runter und lauschte, aber das Haus schien leer zu sein. In der Küche fand ich eine Schale mit angetrockneten Haferflocken. Eine Bananenschale lag daneben, sie wurde schon braun. Wo war meine Tochter? Ich hatte doch das Haus abgeschlossen und der Schlüssel war noch im Schlafzimmer. Dann wurde mir klar, wie naiv ich war. Fenster! Sie war eben aus einem Fenster gestiegen und konnte nun schon wer weiß wie weit gekommen sein, während ich noch im warmen Bett gelegen hatte. Eine Welle der Übelkeit durchfuhr mich und ich musste mich an der Spüle abstützen, weil mir schwindelig wurde. Doch dann hörte ich, wie Miri im Garten am Kaninchenstall mit einem ihrer Pflegetiere sprach. Die Erleichterung, die mich überkam, war unbeschreiblich.
Ich wollte durch die Hintertür zu ihr rausgehen, aber sie war ja abgeschlossen. Also wieder die Treppe hoch, Schlüssel holen! Da ich nun eh hier oben war, zog ich mich auch gleich an. Mir fiel wieder die Sache mit dem Schulschwänzen ein. Darüber musste ich auch mit ihr sprechen. Ach, großer Gott, mit Robert ja auch noch! Er wusste das noch nicht. Das konnte was werden, wenn er vom Teich ausheben wiederkam. Ich seufzte herzhaft und eilte dann nach draußen.
„ Guten Morgen, Mama“, begrüßte Miri mich freundlich. „Wo habt ihr denn den Hausschlüssel gelassen? Ich musste aus dem Fenster rausklettern. Ihr seid aber auch schusselig geworden!“
Sie hatte - ich traute meinen Augen nicht - einen beeindruckenden schwarzen Hahn im
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