Melissas Welt (Mira und Melissa) (German Edition)
aussieht.“
„ Das ist mir egal. Sie sagt, sie wär in Ordnung! Also? Es bleibt beim Hausarrest. Morgen reden wir zwei miteinander, und es wird dir nicht gefallen, Fräuleinchen. Und jetzt rufe ich die Polizei an und sage ihnen, dass du wieder zuhause bist.“
Miranda löste sich aus meinen Armen, schlich niedergeschlagen die Treppe nach oben und verschwand in ihrem Zimmer. Kein Türenknallen? Das war neu. Während Robert mit der Polizei sprach, ging ich in die Küche, um uns einen starken Kaffee zu kochen. Kaffee mit Verstärkung. Ein langer, schlimmer Tag lag vor uns. Und hinter uns eine lange, schlimme Nacht.
Schweigend saßen wir am Küchentisch. Zwischen uns Brot und Butter und Miris Schatten. Ich wärmte mir die Hände am heißen Becher mit dem duftenden Gebräu, aber heute schmeckte er mir bitter. Mein Magen tat weh. Gegen fünf Uhr hörten wir es oben im Bad rumoren. Hannah war aufgestanden. Der Abschied rückte näher. Unten in der Diele stand schon ihr Gepäck. Einen Teil hatte sie als Paket vorausgeschickt in ihr Frankfurter Domizil.
„ Wer von uns beiden bringt sie mit dem Auto zum Bahnhof?“, fragte ich. „Ich meine, einer von uns sollte hier bleiben und auf Miri achten.“
Robert schnaubte. „Selbst das verdirbt sie uns. Eigentlich sollten wir beide zusammen Hannah zum Zug bringen. Es ist heute ein großer Tag für sie.“
„ Nun sei nicht so. Ich bin auch enttäuscht, aber was will man machen? Allein lassen können wir sie nicht, am Ende läuft sie davon. Ich traue ihr nicht über den Weg.“
„ Ich bleibe nicht. Ich werde Hannah nach Stuttgart bringen. Danach werde ich nicht nach Hause kommen, sondern mich mit Matthias beim Kunden treffen. Heute heben wir in Backnang einen Teich aus. Es muss diesen Samstag sein. Die Folie habe ich schon beim Großhändler in Esslingen geholt, da habe ich noch Kredit.“
Beim Wort „Kredit“ krampfte sich mein Magen zusammen. Was war es doch noch gleich, was ich Robert hatte sagen wollen? Ach ja. „Du, was mir eingefallen ist: diese Außenstände, dafür brauchst du doch keinen Anwalt. Übergib die Angelegenheit einem Inkassobüro. Das kostet zwar auch was, aber den Großteil des Geldes bekommen wir dann eben doch. In Zukunft solltest du vielleicht auf einer Anzahlung der Kunden bestehen, wenn du größere Arbeiten für sie durchführst.“
„ Ich denk´ drüber nach. Inkassobüro. Darauf bin ich nicht gekommen.“
Innerlich stöhnte ich leise auf. Mein Schatz war ein so begnadeter Gärtner und Landschaftsbauer, aber das geschäftliche Know-how ließ zu wünschen übrig. Hannah kam die Treppe heruntergepoltert. Offenbar nahm sie immer zwei Stufen auf einmal. Mit strahlendem Gesicht kam sie in die Küche förmlich geschwebt, gefühlte zwei Zentimeter knapp über dem Boden. Mindestens.
„ Guten Morgen! Ihr seid ja schon auf.“
Sie griff nach Brot und Butter und schmierte sich eine dicke Stulle. Tat ordentlich Marmelade darauf und biss herzhaft ab.
„ Also, das hier werde ich vermissen. Du musst mir unbedingt ab und zu ein Care-Paket mit deiner Marmelade schicken, Mama. Wann ist Miri denn gestern Abend nach Hause gekommen? Ich habe eben Musik aus ihrem Zimmer gehört.“
„ Heute Morgen gegen vier Uhr. Ich dachte, sie würde jetzt schlafen.“ Ich strich Hannah über ihre frisch geföhnten Haare und erklärte, warum ich nicht mitkommen würde. Erst stutzte sie, aber dann meinte sie, das wäre nicht das Schlechteste, dann gäbe es wenigstens keinen tränenreichen Abschied am Zug vor all den Leuten.
„ Denk dran, Mama: Ich bin nicht aus der Welt, nur in Frankfurt. Hin und wieder werde ich zu Besuch kommen, das verspreche ich dir. Und in der Zwischenzeit schreiben wir uns Emails und telefonieren, du liebe alte Glucke.“
Lachend knuffte ich meine Älteste an den Oberarm. „Ich werde das schon überleben. Hauptsache, du isst auch anständig, wenn du in Frankfurt bist. Bloß nicht so viel Fertigkost, wozu habe ich dich Kochen gelehrt?“
„ Mama, du tust es schon wieder! Ich passe schon auf mich auf. Und jetzt gehe ich hoch und verabschiede mich von meiner Schwester und sage ihr, sie soll deine Nerven schonen, während ich weg bin.“
Ehe ich mich versah, waren Robert und Hannah unterwegs. Ich schloss Hinter- und Vordertür ab, nahm den Schlüssel mit ins Schlafzimmer und kuschelte mich trostsuchend in mein Bett. Und schlief nach wenigen Atemzügen ein.
Aus Mirandas Tagebuch
Das war die scheußlichste Nacht meines Lebens. Ich
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