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Melissas Welt (Mira und Melissa) (German Edition)

Melissas Welt (Mira und Melissa) (German Edition)

Titel: Melissas Welt (Mira und Melissa) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlies Lüer
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Fahrzeit ganz für mich allein. Sie sah blendend aus. Die neue Frisur stand ihr ausgezeichnet und ließ sie sehr „erwachsen“ aussehen. Mir war durchaus klar, dass sie wirklich erwachsen war und nicht nur so aussah. Ich konnte mir nicht helfen, ich sah vor allem „das Kind“, mein Kind in ihr. Sahen alle jungen Erwachsenen so jung aus? Vermutlich war mir nicht genügend bewusst, wie alt ich war . Und aussah. Nun, es würde sicher helfen, öfter in den Spiegel zu schauen und meine Falten zu zählen und jede einzelne Neue persönlich willkommen zu heißen. Die Diskrepanz zwischen meiner inneren gefühlten Zeitlosigkeit und den äußerlichen Veränderungen empfand ich als verwirrend.
    „ Erzähl doch mal, wie ist es so in Frankfurt?“
    „ Frankfurt ist irgendwie hässlich, aber nicht wirklich hässlich. Es ist dort so ganz anders als zuhause. Ich mag diese Mischung aus Wolkenkratzern und historischen Gebäuden. Da sind wunderbare Grünanlagen, aber auch doofe Plattenbauten. Wie Kaninchenställe, eine Schachtel über der anderen, bloß für Menschen. Im Zentrum geben die Banken und die Anwaltskanzleien den Ton an. Es ist eben eine Metropole, Frankfurt ist anders als jede andere Stadt in Deutschland. Ich finde es toll, dort die Ausbildung zu machen. Aber ich will nicht für immer dort bleiben.“
    „ Dann ist es ja gut“, entfuhr es mir, was ich sogleich bereute.
    „ Was ist gut?“
    „ Dass du nicht für immer dort bleiben willst. Verzeih mir bitte, aber ich wünsche mir wirklich, dass du nach der Ausbildung wieder in unserer Nähe wohnst. Aber ich weiß, ich weiß! Ich enge dich mit meinen Wünschen ein, tut mir leid. Du sollst wohnen und arbeiten wo immer du willst.“ Ich tätschelte ihr beschwichtigend die Hand und konzentrierte mich dann wieder auf den Verkehr.
    Hannah lachte laut auf. „Mama, du wirst dich nie ändern! Aber das ist okay. Ist nicht zu glauben, dass du mal eine taffe Journalistin warst. Nun erzähl du. Wie geht es Papa und Miri? Nervt sie euch immer noch? Und was ist mit Oma? Die ist ja schon richtig lange bei euch.“
    Mir fiel auf, dass sie bei euch sagte, und nicht „bei uns“. Hatte sie sich schon so sehr innerlich von der Familie distanziert?
    „ Papa hat wieder mit seinem Blutdruck zu tun. Miri ist sprunghaft. Du wirst gleich bemerken, dass sie sich verändert hat, wenn du sie wiedersiehst. Keine bunten Strähnen mehr. Mal ist sie lieb und zuverlässig, und dann hat sie wieder Tage, wo ich sie am liebsten in die Arktis schicken möchte, zum Abkühlen. Und Oma ist senil geworden. Sie hat uns fast das Haus abgefackelt.“
    „ Was? Du meine Güte, wie denn?“
    „ Ich hatte das Bügelbrett in der Küche stehen lassen und sie hat das zum Anlass genommen, mir bei der Arbeit zu helfen. Leider. Sie hat das heiße Eisen auf der Bluse stehen lassen, und dann stand das ganze Ding in Flammen. Wir haben gerade so noch die Kurve bekommen. Die Küche muss renoviert werden. Das war ein furchtbarer Tag. Aber heute ist ein guter Tag! Wir wollen jetzt nicht mehr von Problemen sprechen, sondern uns auf das lange Wochenende mit dir freuen.“
    Den Rest der Fahrt erzählte Hannah vom Zusammenleben mit ihrer Freundin. Sie mussten sich noch zusammenraufen, vor allem was die Zeit morgens im Bad anging. Die Ausbildung in der Bank schilderte sie als interessante Herausforderung.
    Das Wochenende wurde wirklich schön für uns alle. Hannah verbrachte viel Zeit mit Miri und ihrer Großmutter und bewunderte sogar ehrlich die neuen Fähigkeiten ihrer kleinen Schwester als Meisterin der Wollknäuel. Sie spendete ihr Trost wegen der schrecklichen Sache mit dem Kaninchen und dem blutigen Flügel. Uns fiel auf, dass Miri den Junkie nicht erwähnte, also sprachen wir auch nicht darüber mit Hannah. Es reichte ja auch, dass wir Angst hatten. Was allein mir auffiel war, dass Miri sich in Hannahs Gegenwart immer betont munter gab, aber in ihren Augen war dann ein Hauch von Traurigkeit. Die Nächte verbrachten die Schwestern zusammen. Hannah schlief auf dem ausklappbaren Gästebett, denn in ihrem eigenen Bett schlief ja ihre Großmutter. Wir verbrachten schöne Stunden im Garten unter der Linde. Gartenfackeln verbreiteten ein stimmungsvolles Licht. Selbst Thaddäus, der verwitterte Steindrache, wurde zu einer schimmernden Schönheit. Robert machte Fotos von uns. Er meinte, drei Generationen Frauen wären immer ein Bild wert. Sonntagabend feierten wir ein kleines Grillfest und luden auch unsere Nachbarn von

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