Melissas Welt (Mira und Melissa) (German Edition)
Tropfen ätherisches Lavendelöl auf Kopfkissen und Nachthemd geträufelt hatte, konnte ich nicht wirklich einschlafen. Mein Bewusstsein pendelte auf der Grenze zwischen Wachen und Schlafen hin und her. Hundemüde war ich, aber innerlich auch hellwach. Ein äußerst merkwürdiger Zustand, den ich zuvor nie so intensiv erlebt hatte. Robert, der gegen Mitternacht auch ins Bett gekommen war, konnte durch meine Unruhe auch nicht schlafen.
„ Melissa, was ist mit dir? Du wälzt dich im Bett hin und her, man könnte meinen, wir hätten schweren Seegang.“
„ Witzbold, elender. Halt lieber meine Hand oder nimm mich in die Arme. Irgendwas stimmt nicht mit mir, ich fühle mich so seltsam.“
Er kam meiner Bitte sofort nach, doch auch seine Wärme und seine beschützende Gegenwart brachten mir kaum Linderung. In mir war ein nur schwer zu beschreibendes Brausen und An- und Abschwellen. Wie ein Wasserfall, der nicht nur fällt, sondern auch gleich wieder steigt. Ich hatte das Bedürfnis wegzulaufen, aus mir selbst herauszuschlüpfen und dann: auf und davon! Die letzten Wochen und Monate waren so bedrückend gewesen, dass sich mein Leben gar nicht mehr „wie meins“ anfühlte. Ich fühlte mich sprichwörtlich wie im falschen Film .
Bedrückend … Druck … Mir kam eine Idee. „Robert? Hol doch bitte mal deinen Blutdruckmessapparat.“
„ Wieso? Ich messe doch jetzt nicht meinen Blutdruck, das mache ich immer morgens. Oh, schon gut, kneif mich doch nicht gleich, hab´ schon kapiert. Du willst deinen Blutdruck messen. Geht es dir so schlecht?“
Kurz darauf kam er wieder ins Schlafzimmer, schaltete das Licht an und setzte sich auf die Bettkante zu mir, um mir die Manschette anzulegen. Ich drückte den Startknopf und fühlte, wie sie sich immer enger um meinen Oberarm schmiegte und ihn zusammenpresste. Der Apparat pumpte sogar nochmals Luft auf, was Robert mit einem Stirnrunzeln quittierte. Schließlich hatten wir es vor Augen: 210/120!
„ Du meine Güte, Liebling. Kein Wunder, dass es dir schlecht geht. Das ist viel zu hoch. Soll ich den Notarzt rufen?“
„ Nein, ich glaube nicht. Weißt du noch? Wir hatten doch damals, als deiner erstmalig so hoch war, im Internet gegoogelt. Der Wert allein macht nicht die Gefahr. Erst wenn andere Beschwerden hinzukommen wie Sehstörungen, Schwindel, Atemnot oder Herzbeschwerden, soll man den Arzt holen oder ins Krankenhaus gehen.“
„ Und? Hast du Herzbeschwerden oder anderes?“
„ Nein, nicht wirklich, nur ist mir in den letzten Tagen öfter mal schwindelig gewesen. Die Aufregung wird mir wohl einfach zu viel, weißt du? Ich stand verdammt unter Anspannung, weil ich nicht wusste, was mit euch beiden ist, wo ihr seid und wie es euch geht. Ich hatte einfach Angst. Und dann habe ich ja auch Mutter heute ins Pflegeheim gebracht.“
„ Wie, das war heute? Hast du so schnell einen Platz gefunden? Oh, Schatz, das muss schwer für dich gewesen sein. Wie geht es denn deiner Mutter damit?“
Ohne, dass ich es hätte verhindern können, kullerten mir ein paar Tränen. „Sie hat heute Abend, als du mit deinem Freund unter der Linde im Garten gesessen hast, angerufen, genau gesagt die Pflegerin, sie hat den Apparat weitergereicht. Mutter bekommt erst am Montag ihren eigenen Anschluss. Sie wollte nach Hause, nach Sylt. Robert, ihr ist nicht klar, dass sie Sylt wohl nie wieder sehen wird. Das macht mich fertig. Ich habe sie ins Heim gebracht. Irgendwie fühle ich mich schuldig. Aber ich kann sie auch nicht hier auf Dauer im Haus ertragen, ganz ehrlich nicht. Ich glaube, ich würde sie irgendwann nur noch anschreien. Meine Nerven sind total im Eimer. Ich kenne mich so gar nicht. Mutter war sehr aufgeregt, sie dachte auch, sie hätte nichts zu essen bekommen. Und sie will, dass ich sie morgen besuche. Aber ich will da nicht schon wieder hin.“
„ Das musst du auch nicht. Ich fahre mit Miri hin, und in der Zeit legst du dich schön in die Badewanne oder liest ein gutes Buch. Du hast jetzt Pause, versprochen! Pass auf, ich gehe jetzt runter in die Küche und koche dir einen beruhigenden Tee und bringe dir auch eine von meinen Pillen, sicher ist sicher. Nimm mal eine halbe. Und Montag gehst du zum Arzt, okay? Der soll mal eine 24 Std.-Messung machen.“
Robert küsste mich auf die Stirn und patschte dann mit nackten Füßen die Treppe runter. Er hatte die Tür offengelassen, so dass ich seinen Freund Sebastian in Hannahs Zimmer schnarchen hörte. Ich musste lächeln, meine Güte,
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