Melissas Welt (Mira und Melissa) (German Edition)
auf jeden Fall den Hauptschulabschluss machen, und wenn ich dafür ein Jahr oder gar zwei Jahre dranhängen muss. Papa sagt, ich könne mit den Alpakas meine eigene Firma später haben. Aber ich müsse viel dafür lernen. Nicht nur Schule, auch andere Sachen. Auch, von wo ich mir Hilfe holen kann, wenn ich später welche brauche. Ist schon klar, ich weiß ja, dass ich nie richtig rechnen kann. Das ist eben ein Geburtsfehler oder so. Soll mir jetzt aber auch egal sein. Ich kann eben andere Dinge gut!
Das Beste an der Schule heute war, dass ich gecheckt habe, dass Beata nicht mehr wiederkommt. Die ist abgehauen. Wahrscheinlich nach Berlin, meinte Murat. Er hat das auf dem Schulhof gehört. Darüber bin ich echt froh. Jetzt fühle ich mich wieder sicher.
Am Wochenende war ich mit Papa bei Oma im Heim. Mama blieb zuhause, es geht ihr nicht gut. Sie sagen, der Blutdruck sei zu hoch und sie brauche Ruhe. Dann weiß ich aber nicht, warum Papa die Mama mitnimmt zur Arbeit? Ich glaube, irgendwas stimmt da nicht. Oma war auch wieder ganz komisch, aber daran muss ich mich wohl gewöhnen. Ich habe ihr von Sebastian und meinen Alpakas erzählt. Sie hat dann gedacht, ich wäre mit einem Freund im Zoo gewesen. Naja.
Ich hätte ja nie gedacht, dass Papa früher Krankenpfleger war. Sein Freund Sebastian hat mir erzählt, dass Papa ihn vor einer Riesendummheit bewahrt hat, als sie vor vielen Jahren zusammen in der Klinik waren. Er sagte: „ Ohne ihn wäre ich längst tot. Und es gäbe heute keine Alpakafarm, und vor allem hätte ich nicht meine eigene Familie. Die ist mir am wichtigsten auf der ganzen Welt. Ich habe alles diesem Häuptling hier zu verdanken. Dein Vater ist ein großer Mann.“ Mama hat mir auch nie was davon gesagt, dass Papa nicht immer ein Gärtner war. Papa ist auch total bescheiden. Es war ihm gar nicht recht, dass sein alter Kumpel mir davon erzählt hat.
Hannah kommt bald wieder zu Besuch. Sie will meine Herde sehen. Irgendwie freut mich das.
Mir tat mein Kreuz weh. Und ich war fix und alle. Die Männer vermutlich auch. Aber wir waren mit der Arbeit fertig geworden. Das war alles, was zählte. Nur jemand, der Kenntnis der uralten Feng Shui-Lehre hat, würde wissen, dass dieser Garten in Harmonie mit dem Haus und der Lage des Grundstückes gestaltet und dieses Ganze auf die Himmelsrichtungen und die Fünf Elemente ausgerichtet war, vielleicht sogar, dass jedes Teil, jede Pflanze im Garten bewusst ausgewählt und wohlplatziert war. Gutes Feng Shui sieht man nicht, es existiert und wirkt einfach. Auf der Heimfahrt saß ich vorn im Transporter zwischen Robert und Matthias, sie wechselten sich mit dem Fahren ab. Ich konnte daher ganz in Ruhe meinen Gedanken nachhängen. Die ach so nervöse Hausherrin, um die ich mich kümmern sollte, entpuppte sich als eine nette, aber sehr unsichere junge Frau, die mit ihrer gesellschaftlichen Rolle als Gattin eines reichen Börsenmaklers wohl etwas überfordert war. Ich fand schnell Zugang zu ihr und konnte sie beruhigen. Meine Gedanken wanderten nun von ihr weiter zu Roberts Freund. Dieser Sebastian, der charmante Wikingertyp. Ich muss unbedingt mehr über diesen Mann herausfinden, bevor Miri in den nächsten großen Ferien zu ihm und seiner Familie geht, dachte ich.
Wir fuhren Stunde um Stunde durch die Nacht. Der Himmel war sternklar. Wunderschön. Wir hatten die Heizung im Transporter an, weil es herbstlich kalt war. Aus der Thermoskanne verteilte ich den letzten Kaffee. Er war nur noch lauwarm. Während ich an meinem Becher nippte, plante ich die kommenden Tage und Wochen. Bald schon hatte ich den Arzttermin. Mein Blutdruck war bei den letzten Messungen immer noch etwas zu hoch gewesen, meist so um die 170/95, manchmal aber auch nur 150/90. Hm, was heißt „nur“? Vielleicht sollten wie lieber weniger Kaffee trinken. Ich musste auch endlich wieder zum Friseur. Und fürs Wochenende hatte Hannah sich angekündigt. Endlich mal wieder. Ach du meine Güte, ich musste ja auch sehr bald die Wohnungsauflösung einplanen. Ich stöhnte leise auf.
„ Was hast du denn?“ Robert schaute mich besorgt an und griff nach meiner Hand.
„ Mir ist eben eingefallen, dass ich endlich nach Sylt fahren muss. Die Wohnung meiner Mutter muss aufgelöst werden. Außerdem braucht sie mehr Kleidung. Was die Helferinnen der Diakonie geschickt haben, reicht nicht aus. Ich muss unbedingt persönlich hin und auch die Sachen auswählen, die sie für ihr Zimmer im Heim bekommen
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