Melissas Welt (Mira und Melissa) (German Edition)
legte ich den Rahmen aufs Sofa. Die Bücher waren jetzt interessanter! Ich blätterte das Rezeptbuch durch und nahm dann erwartungsvoll das Nächste in die Hand. Doch in diesem hatte Mira anderes notiert. Ich las : März 1973, Mann, 56 Jahre, Schlafstörungen durch schwere Alpträume, hervorgerufen durch Schuldgefühle. Heilungsprozess kam in Gang durch die übermittelte Vergebung seines Vaters, dessen Seele bereitwillig mit meinem Engel sprach. November 1973, Frau mittleren Alters, Angstzustände, fürchtet, verrückt zu werden. Es zeigte sich, dass sie mediale Veranlagung hatte und ihre außersinnlichen Eindrücke nicht mit ihrem Weltbild in Einklang bringen konnte. Leider schenkte sie meinen Worten keinen Glauben. April 1975, Mädchen, 11 Jahre, schweres Hautleiden. Hervorgerufen durch anerzogene Furcht vor Schmutz. Ihr konnte geholfen werden. Und so ging es weiter. Seite für Seite, eng beschrieben mit Miras zierlicher Handschrift. Faszinierend. Manche Fälle beschrieb sie eingehender, hatte auch die weisen Kommentare ihres Engels zu Buche gebracht. Mir lief ein Schauder über den Rücken. So viele Menschen, die zu ihr gefunden hatten! All die Jahre hatte dieses Vermächtnis auf dem Boden gelegen, unbeachtet. Ich legte das Notizbuch beiseite und schaute in die anderen vier Bücher. Alle selben Inhalts. Siebziger, achtziger und neunziger Jahre. Da war es, Miras Leben als Lichtbringerin. Sie war mir wieder ganz nah, und ich fühlte tiefe Dankbarkeit. Wie wäre mein Leben verlaufen, wenn ich nicht in ihr Haus gekommen wäre? Ich mochte es mir nicht ausmalen. Ob das alles vorherbestimmt gewesen war? Geführt und gelenkt durch jenseitige gute Geister? Mein Herz sagte ja. Ich konnte es glauben. Ach, was hieß hier „glauben“? Ich wusste es! Das war alles Realität. Es war doch gar nicht lange her, dass ich im Garten über Thaddäus eine Art Lichterscheinung wahrgenommen hatte, in dem Moment, wo Robert seine Eingebung über die Raben und die Berge bekam. Und war daraus denn nicht Gutes erwachsen? Aber ja doch! Wir waren nicht allein geblieben in unserem Kummer, Hilfe war von langer Hand vorbereitet gewesen. Lange Jahre hatte die Prophezeiung über die Tage des schwarzen Hahnes unbeachtet im Haus gelegen, und erst als wir die Information brauchten, fiel sie mir in die Hände. Zufall? Nein. Fügung. Aber wieso war ich in der Lage gewesen, dieses kugelförmige Licht zu sehen? War ich denn etwa auch medial veranlagt?
Ich ging nach draußen und setzte mich auf die Bank unter der Linde, weil ich so aufgewühlt war. Der Bilderrahmen konnte auch bis morgen warten. Ich blieb dort, bis die Sonne hinterm Horizont versank und dachte an meine Jahre mit Mira, Heilerin und Seherin. Doch für die meisten Menschen hier im Ort war sie nur irgendeine alte, seltsame Frau gewesen. Der Abend war gekommen, und mit ihm Robert. Er war müde und hungrig. Ich kochte uns Tee und bereitete das Abendessen vor.
„ Du siehst so nachdenklich aus, Liebes.“
„ Heute habe ich auf dem Dachboden etwas gesucht, und ich fand noch mehr als das. Nämlich Miras Notizbücher. Hier, schau, in dem hier sind ihre Rezepte. Das ist für mich und auch für Hannah sehr wertvoll. Die Bücher, die im Wohnzimmer liegen, sind anderer Natur. Mira hat jahrzehntelang Buch geführt über die Menschen, die sie in ihrer Eigenschaft als Beraterin und Heilerin aufgesucht haben. Ich habe den Inhalt nur kurz überflogen, aber es ist faszinierend. Ihr ganzes spirituelles Vermächtnis! Ich bekam Gänsehaut, als ich die Anweisungen und Kommentare ihres Engels las.“
Robert legte seine Hand auf meine. „Das muss dir viel bedeuten.“
„ Oh ja. Das tut es. Und ich habe noch etwas vom Dachboden runtergeholt. Einen Bilderrahmen. Bin schon gespannt, was du dazu sagst. Die Stelle an der Wand, wo der Indian Sacred Buckskin hing, erschien mir so leer. Ich habe sie heute Nachmittag gefüllt, du wirst schon sehen. Und ich möchte drumherum den Bilderrahmen haben.“
Nach dem Abendessen brachte Robert den Rahmen an, es sah genauso schön aus, wie ich es mir vorgestellt hatte. Er umrundete die Inschrift perfekt. Glück gehabt.
„ Das hast du wirklich schön geschrieben, Liebes. Ich mag diesen Sinnspruch. Aber nun zeig mal die Bücher von Mira. Da will ich unbedingt reinschauen.“
Wir setzten uns aufs Sofa, nahmen wahllos jeder eins aus dem Stapel und lasen in den Aufzeichnungen. Robert hatte das Buch mit den letzten Einträgen erwischt. „Du, hier steht was über deine
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