Melissas Welt (Mira und Melissa) (German Edition)
seinem Bettchen heraus. Der Magier hatte sie in einen Zauberschlaf fallen lassen, und so merkte sie nicht, was ihr Furchtbares zugestoßen war. Seine schwarzmagische Kraft war nun fast erschöpft, und sie waren erleichtert, als sie wieder auf ihren Pferden saßen und das Burgareal verließen. Der Hauptmann hielt das schlafende Kind im Arm und hüllte es fürsorglich in eine warme Decke.
Als wenige Stunden später das Verschwinden der Prinzessin bemerkt wurde, war der Reitertrupp längst am Fuße der schroffen Westberge angelangt. Der Hofmagier befahl eine kurze Rast, damit er mit letzter magischer Kraft einen weiteren Zauber wirken konnte: einen Verwirr-Zauber, damit niemand den Eingang in die Schlucht finden könne, denn dies war der einzige Weg zum Pass, die Westberge zu überqueren. Er legte einen Kreis aus Steinen, in einem archaischen Muster roher Magie, zeichnete Runen darauf und murmelte in uralter Sprache Zauberwörter und Flüche. Kein Angehöriger eines anderen Volkes als das der Kleinländer würde nun den Weg wiederfinden können.
Unterdessen erhob sich im Schloss der Sonnenprinzessin ein großes Ach und Weh. Das Königspaar und alle Bediensteten suchten und suchten, aber sie fanden das Kind nicht. „Vielleicht ist sie in den Brunnen gefallen?“ „Aber nein, seht doch, er ist abgedeckt.“ „Vielleicht hat sie sich im Stall versteckt um mit ihrem Pony zu spielen?“ „Aber nein, seht doch, alle Pferde sind auf der Weide.“ „Vielleicht ist sie in der Speisekammer um frische Kuchen zu naschen?“ „Aber nein, seht doch, alle Kuchen stehen hier auf dem Tisch.“ Und so ging das den ganzen lieben langen Tag, bis alle erschöpft waren von der Suche. Und alle Frauen im Schloss weinten große Tränen, und alle Männer schworen Rache für den Raub. Denn der letzte Strahl der untergehenden Sonne hatte sein Licht auf einen abgerissenen Knopf geworfen, der im Burghof im Sande lag: auf ihm das Wappen des Kleinen Landes hinter den Westbergen. Nun wussten sie, wer hinter dieser ruchlosen Tat steckte. Die Garde des Königs sattelte die Pferde, bewaffnete sich bis an die Zähne und entzündete große Laternen, um den Weg zu erhellen. Sie schlugen am Fuße der Westberge ihr Lager auf und mussten die Nacht abwarten. Denn es war eine Neumondnacht und große, regenschwere Wolken hatten das Funkeln der Sterne verhüllt.
Doch am nächsten Morgen verzweifelten der König und seine Männer. Der Weg zur Schlucht war unauffindbar. Sie konnten den Bergpass nicht erreichen. Es war wie verhext!
Verhext? Oh ja!
Wochen und Monate zogen ins Land. Der König hatte eine hohe Belohnung ausgesetzt für denjenigen, der den Weg über die Berge finden würde. Viele kamen, viele gingen. Nicht einer hatte Erfolg. Und so kam es, dass die Prinzessin viele Tränen der Trennung weinen musste. Bis sie eines Morgens den Entschluss fasste, nicht länger zu weinen, sondern zu handeln. Sie schwor sich selber, nie den Glauben an ihre Rettung zu verlieren. Eines Tages würde sie ihre Eltern wiedersehen.
„ Wenn ich schon in dieser finsteren Burg bei diesem traurigen Fürsten leben muss, so will ich das Beste daraus machen.“ So sprach sie und kämmte ihr goldenes Haar, bis es glänzte. Ihr Kleid war schlicht, der Umhang aus grober Wolle, denn sie trug heute das Gewand der Tochter ihrer Dienerin. Ihr Prinzessinnenkleid war in den Händen der Waschfrau. Mit kindlicher Entschlusskraft ging sie in die Halle des Fürsten und befahl mit piepsiger Stimme der Dienerschaft, die schwarzen Vorhänge zu entfernen und die Fenster zu putzen! Der Fürst staunte über ihren Elan und gab nickend seine Zustimmung. Die Kleine weckte allmählich seine Aufmerksamkeit. Er hatte nie wirklich verstanden, weshalb der Magier und der Hauptmann das Königskind in seine Burg gebracht hatten. Das Glück solle mit ihr einziehen, hatten sie behauptet. Alle Probleme des Landes würden sich allein durch ihre Anwesenheit in Luft auflösen. Aber dem war nicht so. Das Volk darbte und murrte nach wie vor.
Dann baute sie sich vor dem Fürsten auf, stemmte ihre Ärmchen in die Hüften und sagte laut: „Ich will nicht einen Tag länger in diesen finsteren Hallen verbringen. Es ist, als würden hier Tod und Verderben sich die Hände schütteln. Zuhause war Licht und Freude und ich hatte ein Pony und viele schöne Kleider! Ich will zurück zu meinen Eltern! Lasst mich bitte gehen.“
„ Ich kann dich nicht zurückgehen lassen, du sollst das Glück in mein Land bringen. Sag, ist
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