Melissas Welt (Mira und Melissa) (German Edition)
Mutter, glaube ich. Hör mal zu: Frau namens Johanna, mittleren Alters, hat eine Nacht in Gottes Gästezimmer verbracht. Gepeinigte Seele durch alte Schuldgefühle, Sohn starb als Kleinkind in ihrer Abwesenheit, sie hat es jahrzehntelang verheimlicht. Ihr konnte nun geholfen werden, ihr Engel führte sie in den Norden. Das Meer half bei der Heilung. Da steht auch was über dich, es ist der letzte Eintrag im Buch! Willst du es lesen?“
„ Über mich? Du meine Güte. Lies es mir bitte vor. Was schreibt sie über mich?“ „Es ist nur ein einziger Satz.“ Robert schaute mir tief in die Augen, nahm meine Hand und las vor:
„ Gott sandte mir für meine letzten Jahre eine Herzenstochter.“
Epilog
Etwa 30 Jahre später…
Und wieder ist es Sommer und ich sitze unter der Linde. Ich denke an meine Töchter, die sich so gut entwickelt haben und beruflich erfolgreich sind, dass es uns eine helle Freude ist, das noch mitzuerleben. Miri hat ein eigenes Mode-Label, sie hat Erfolg mit ihrer Kleidung, den Accessoires und Decken aus Alpakawolle. Ihre Webteppiche sind begehrt und werden auch per Onlineshop landesweit vertrieben. Wir hatten wirklich nicht geahnt, dass ein solches Potential in unseren Kindern schlummerte. Hannah ist ihre Partnerin und die Geschäftsführerin. Sie haben sich zusammengetan und betreiben ein Strickcafé mit angeschlossenem Verkaufsraum für Miris Handarbeiten und Hannahs Kräuterseifen und Tinkturen. Von Zeit zu Zeit finden hier im Garten kleine Veranstaltungen oder Kräuterkurse statt. Das Lindenhaus ist immer noch voller Leben und Kraft!
Die Bienen summen geschäftig über mir in der Krone der mittlerweile mächtigen Linde. So viele Jahre sind vergangen. Wo sind sie nur hin? Robert sitzt neben mir, er hat die Augen geschlossen und macht ein Nickerchen. Die Wärme hat ihm ein Schlaflied gesungen. Während ich dem Lied der Bienen lausche, kommt die Pflegerin durchs Rosentor. Sie begrüßt uns und weckt Robert sanft auf. Sie wird ihn baden und dann zu Bett bringen. Sein Haar ist schlohweiß. Er ist immer noch ein schöner Mann. 50 Jahre Ehe …
Ich lehne mich zurück an den morschen, alten Baum. Nächste Woche kommt eine Firma und nimmt ihn uns weg. Die sagen alle, er sei eine Gefahr für den Straßenverkehr. Der Gedanke daran verursacht mir Herzstiche. Ich liebe diesen Baum. Jede einzelne Minute Geborgenheit unter seiner Krone ist für mich ein Genuss. Nun schließe auch ich müde meine Augen. Das Lied der Bienen wird lauter. Sie sammeln sich über Thaddäus und schwirren mit ihren Flügeln. Schnell, immer schneller. Die Flügelchen blitzen im Sonnenlicht, werden zu Licht. Eine flimmernde Kugel, duftend, lebend, lockend … es zieht mich zu ihr. Ich höre ein Raunen. Ich kenne diese Stimmen! Ich liebe sie alle, und sie lieben mich. Sie schwatzen fröhlich durcheinander, und eine festliche Stimmung breitet sich aus. Ich bekomme eine Ahnung, dass dieser Sommer mein letzter sein wird. Tiefe Ruhe fühle ich. Und Einverständnis. Ich bin lebenssatt. So gerne möchte meine Seele den Körper dieser alten Frau verlassen.
Mein Drache Thaddäus zwinkert mir lustig zu, als wolle er sagen: Auf geht´s!
-ENDE-
Anhang
Das Märchen vom Lavendelpferd und dem Roseneinhorn
Das Märchen vom Lavendelpferd und dem Roseneinhorn
Es war einmal vor langer Zeit eine kleine Prinzessin, gar lieblich anzuschauen. Sie war des Königs Augenstern und das Herzblatt der Königin. Die Untertanen des Reiches lebten satt und zufrieden in ihren Dörfern und Städten, waren fleißig und ehrbar und litten nur selten Not. Die Natur bot reichlich Nahrung für den Körper und Schönheit fürs Gemüt.
Es hieß im Volksmund, die kleine Prinzessin mit dem goldenen Haar sei nicht nur schön wie die Sonne selbst, sondern sie wäre auch der Garant für des Volkes Wohlergehen, denn seit ihrer Geburt vor acht Jahren hatte es keine Überflutung, keine wilden Stürme und auch keine Dürren mehr gegeben. Volk und Regenten priesen ihr Glück und fühlten sich innerhalb der Grenzen ihres Landes so sicher, dass sie nicht mehr auf die umliegenden Nachbarländer achteten.
Und so kam es, dass sie nicht bemerkten, wie groß die Not und der Neid im kleinen Land hinter den schroffen Bergen im Westen war. Die Menschen dort hungerten oft, denn Dürre und Heuschrecken hatten ihre Ernte zu oft vernichtet. Wölfe und Vielfraße trieben ihr Unwesen und rissen immer wieder Schafe und Ziegen. Der Herrscher dieses Landes
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