Melissas Welt (Mira und Melissa) (German Edition)
duftete nach Lavendel!
„ Wer bist denn du, Pferdchen?“ Aurelia streichelte zart mit einem Finger über das Fell. Es fühlte sich wie Samt an. Das Lavendelpferd schmiegte sich für einen kurzen Moment in ihr Händchen und galoppierte dann davon in Richtung Rosenbeet. Vorsichtig folgte die Prinzessin dem wunderlichen Geschöpf und setzte achtsam ihre Schritte. Inmitten der roten Rosen ließ sie sich nieder und sog dankbar deren Duft ein. Das Pferdchen umkreiste auffällig eine bestimmte, niedriggewachsene Rose. Neugierig geworden steckte Aurelia ihre kleine Nase in die schönste Blüte dieses Rosenbusches. Au! Etwas hatte sie gepiekst. Aber das war kein Dorn gewesen. Die Blüte öffnete sich weit und das wunder-wunder-allerwunderschönste Geschöpf, das jemals auf Erden gesehen worden war, stieg anmutig heraus und sprang Aurelia in die Hand. Mit großen Augen starrte die Prinzessin es an, sie wagte kaum zu atmen. „Du musst ein Roseneinhorn sein! Denn du bist ein Pferdchen mit einem Horn, das golden und silbern schimmert, schöner als der Vollmond, also bist du ein Einhorn, und du duftest nach Rosen, so wie das andere Pferdchen nach Lavendel duftet. Ihr seid wahrlich zauberhafte Geschöpfe. Wie kann das sein, dass Wesen wie ihr in der Nähe des armseligsten Schlosses leben, das es auf dieser Welt gibt? Der Fürst ist ein wahrer Trauerkloß, sein Volk lässt er hungern und darben. Und mich hat er entführen lassen, und nun lebe ich fern als Gefangene, fern meiner lieben Eltern!“
Die kleine Prinzessin schluchzte gar bitterlich. So sehr sie auch im Garten glücklich war, jetzt brach die Erinnerung an ihr Zuhause durch und sie hatte solche große Sehnsucht nach Mama und Papa und ihrem zotteligem Pony.
„ Du liebes Kind, trockne deine Tränen. Die Zeit deiner Gefangenschaft geht zuende.“ Verwundert hörte sie auf zu schluchzen und hickste ein, zwei Mal und schaute sich um. Wer hatte zu ihr gesprochen? Es war, als würde der ganze Garten mit einer Stimme zu ihr sprechen, aber nicht ihre Ohren hörten die Worte, sondern die Worte waren in ihr!
„ Das ist das Herzenhören. Sei nicht bange. Bevor der Mond wieder voll wird, wirst du zuhause sein. Vertraue, liebes Kind. Ich bin der gute Geist dieses Gartens, der durch seine Geschöpfe spricht. Versprich mir, dass du das nächste Mal den Fürsten mitbringst. Es bleibt ihm nur wenig Zeit, sich und sein Volk zu retten. Aber sage niemandem ein Wort von uns. Sie würden dir nicht glauben.“
„ Ich will es versuchen. Ja, ich verspreche es dir!“ Das Roseneinhorn sprang von der Hand und begann vor Freude zu tanzen. Aus seinem Horn stiegen buntschillernde Blasen empor, hauchzart. Sie schwebten durch die Luft und jedes Mal, wenn sie etwas berührten, zerplatzten sie mit einem Harfenklang. Ei, wie da die Prinzessin lachte und nach den Regenbogenblasen haschte!
Als sich der Abend ankündigte und die Sonne ihr Licht zurückzog, verabschiedete sich Aurelia vom Lavendelpferd und dem Roseneinhorn, tauchte noch einmal ihr Näschen in ihre duftenden Felle und verschwand dann durch das Loch in der Mauer.
„ Du strahlst ja heller als die Sonne“, meinte der Hauptmann, der getreulich Wache gehalten hatte.
„ Ich darf wieder nach Hause! Der Garten hat es mir gesagt.“
„ Ich würde dich vermissen, kleine Prinzessin. Aber ich wünsche es dir sehr, dass der Fürst dich bald in deine Heimat zurückschickt. Es hat ja alles keinen Sinn gehabt. Dich Sonnenkind zu entführen, hat die Lage im Land nicht verbessert. Es muss wohl einen anderen Grund dafür geben, dass dein Land hinter den Bergen gedeiht und unseres hier darbt und vergeht.“
„ Sei nicht traurig, lieber Hauptmann, alles wird gut.“
Am nächsten Tag riefen der Kanzler und der Magier den Hauptmann zu sich. Sie schickten ihn, verkleidet als Handwerker, in das Land hinter den Bergen, in die Heimat der Prinzessin. „Dein Auftrag lautet: Finde heraus, warum das Land immer noch das Glück für sich gepachtet hat. Und gehe auch ins Schloss und beobachte König und Königin. Halte Augen und Ohren offen, ob sie ahnen, dass wir es waren, die ihr Kind stahlen. Dann kehre vor dem nächsten Vollmond zurück und erstatte Bericht.“ Der Magier hieß ihn noch, am Schutzkreis der magischen Steine besonders vorsichtig zu sein. „Du darfst nicht gegen einen Einzigen treten, sie dürfen ihre Position nicht durch Menschenhand oder -fuß ändern, denn sonst erlischt der Verwirr-Zauber. Merke dir das!“ Der Hauptmann nickte ernst
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