Melli - einmal blinzeln und von vorn
»Ãberall haben sich die Leute überschlagen, um uns zu helfen. Du hast selbst gefragt, ob das alles ist oder wir nicht noch ein bisschen mehr einkaufen wollen.«
»Das war ein Scherz, liebste Pam, ehrlich«, stöhnte Adrian und wuchtete das sperrige Teil auf den frei gewordenen Tisch. Zum Spaà setzte sich Pam eine Nikolausmütze auf, die sie auch aus dem Koffer holte, und verteilte die nächsten Minuten Tüten, Pakete und Schachteln an alle Anwesenden. Weihnachten mitten im Sommer! Herrlich!
Mit breitem Grinsen betrachtete Melli den Haufen vor sich, der immer gröÃer wurde. Ein »I love NY«-T-Shirt, ein Paar Turnschuhe, ein witziger Anhänger für ihren Rucksack, ein Buch, und und und. Okay, jetzt waren die langweiligen Dinge für Kira, Christof und Oma Doro dran. Aber man konnte ja nie wissen, ob nicht doch noch etwas vergessen worden war und ein weiteres Päckchen auf ihrem Stapel landete.
»Ach hier, extra für dich, Melli, eine Wasabi-Mischung direkt aus Chinatown. Bitte mit Vorsicht genieÃen.« Adrian drückte Melli eine knisternde Tüte in die Hand. Vorsichtig schaute sie hinein. Seit ihr Adrian mal eine Packung Wasabi-Erdnussflips geschenkt hatte, war sie regelrecht süchtig nach dem scharfen Zeug. Lora hielt schon die Hand auf und auch Pia kam näher. »Zeig mal.« Langsam beförderte Melli eine Packung nach der anderen hervor. Chips, Flips, Nüsse aller Art, Schokolade und schlieÃlich sogar Kaugummis und Gummi-Drops. Alles mit Wasabi.
»Ãhm, traut sich einer?«, fragte sie vorsichtig und schnupperte an der Dose. Allein schon der Geruch trieb ihr die Tränen in die Augen. Trotzdem konnte sie nicht widerstehen. Ganz vorsichtig berührte sie mit der Zungenspitze einen Drops, wartete prüfend â nichts geschah â, sah triumphierend in die Runde und warf es sich dann mit groÃer Geste in den Mund. Plötzlich und unerwartet schlug die Schärfe zu.
»Hilfe!«, kreischte sie entsetzt, bevor sie zur Spüle stürzte und das Bonbon in den Ausguss spuckte. Melli lieà sich kaltes Wasser in den Mund laufen und gurgelte kräftig, was die Schärfe allerdings noch mehr verteilte. Jetzt wurde ihr auch noch schwindelig. Nach Luft japsend richtete sie sich wieder auf. Milch? Eis? Was um Himmels willen half gleich noch mal bei Verbrennungen dritten Grades? Warum brachte ihr niemand etwas? Sie schüttelte sich kurz, wartete auf die hämischen Kommentare, bemerkte aber dann, dass sie allein war. Hallo? Und überhaupt, wo war sie allein?
Sie befand sich nicht mehr in Kiras überfüllter, immer leicht unordentlicher Küche mit den zusammengewürfelten Möbeln, so viel stand fest. Um sie herum gab es nur sauber polierte und leer gefegte Flächen wie in einem Krankenhauszimmer und sie versaute gerade eine hochglänzende Spüle. Unsicher blickte sie sich in dem Raum um, der auch eine Küche zu sein schien. Dann schlich sie auf Zehenspitzen zum Fenster. Vielleicht konnte sie ja erkennen, wo sie sich befand. Der Ausblick sagte ihr zunächst gar nichts. Eine StraÃe wie viele andere. Doch halt, man konnte einen Kirchturm erkennen â und zwar den, den sie täglich ebenfalls zu sehen bekam. Und das Wäldchen dort hinten, war das nicht ihr Wald? Also befand sie sich noch in ihrem Ort. Das beruhigte sie wenigstens etwas. In diesem Augenblick hörte sie lautes Gelächter. Woher kam das? Fremde Stimmen! Vor Angst zog sich ihr Magen zusammen. Wo war sie? Mit zittrigen Händen und wackeligen Knien tastete sich Melli aus der Küche, hinaus in einen hellen, sonnendurchfluteten Raum. Sie musste die Augen zusammenkneifen, so hell war es. Ãberall war Glas und WeiÃ, wenn man von den dunklen Holzböden absah und den schweren Edel-Möbeln. Wieder hörte sie Stimmen. Eine ganze Gesellschaft offensichtlich, aber es war niemand zu sehen. Sie bog um die Ecke, wollte gerade nach oben gehen, als sie zusammenzuckte.
»Hey, whatâs up? Hast du die Test vermaaaaasselt?«
Was ihr da entgegengeschleudert wurde, war eine fürchterliche Mischung aus Gummienglisch und ansatzweise deutschen Worten. Nur mit Mühe schaffte es Mellis überreiztes Hirn, den Satz einigermaÃen zu übersetzen.
»Hä?«, entfuhr es ihr, als sie sich umdrehte. Vor ihr stand ein hochgeschossener Junge, den sie in ihrem Leben noch nie gesehen hatte. Wildfremd, direkt aus AuÃerirdien. Aber halt.
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