Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Melmoth der Wanderer

Melmoth der Wanderer

Titel: Melmoth der Wanderer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles R. Maturin
Vom Netzwerk:
Stimme, doch mit jener bedingungslosen Hingabe, wie sie einzig aus dem Herzen und von den Lippen des liebenden Weibes zu kommen vermag, begegnete sie all seinen schrecklichen Verheißungen mit der schlichten Frage: ›Wirst du dort bei mir sein?‹
    ›Ja wohl! DORT muß in Ewigkeit ich bleiben! So willst du’s, wagst du’s, dort mit mir zu sein?‹ Und eine wilde, fürchterliche Kraft durchstählte ihm den Körper wie die Stimme, als er sich über diese bleiche, so bittend hingestreckte Lieblichkeit neigte, wie sie in tiefer, stummer Selbstaufgabe, der Taube gleich, die reglos ihre Brust dem scharfen Schnabelhieb des Geiers bietet, um ihre eigene Zerstörung fleht. ›Wohlan‹, so sprach der Fremde totenbleich, dieweil im Krampf sein Antlitz sich verzerrte, ›so nehm’ ich unter Blitz und Donnergrollen als eine Braut der Ewigen Verdammnis dich nun zum Weib! – Reich mir die Hand und komm, das Fest der Hochzeit nach Gebühr zu feiern vorm taumelnden Altare der Natur, mit ihrem Fluch als unserm Segenswunsch, und mit dem Feuer, das vom Himmel fällt, als Licht an unserm finstern Hochzeitslager!‹
    Die Inderin schrie vor Entsetzen auf, doch nicht wegen seiner Worte, die sie nicht verstehen konnte, sondern wegen des Ausdrucks, der sie begleitete. ›Reich mir die Hand‹, so wiederholte jetzt der finstere Freier, ›so lang die Finsternis noch Zeuge sein kann so unauflöslich-ewiger Verbindung!‹ Doch die vor Entsetzen Totenbleiche wich zurück vor diesem Werben im Angesicht so schwarzen Sakraments.
    In diesem Moment aber legte sich der Orkan, welcher das Firmament verfinstert und die Erde verwüstet hatte, so plötzlich, wie dies für jene tropischen Landstriche charakteristisch ist, und alsbald strahlte der Mond mit einer Leuchtkraft am Himmel, wie man sie ähnlich in den europäischen Ländern nicht findet.
    ›Nimm mich zum Weib in diesem Licht‹, rief Immalee, und wies zu dem Mond empor, zu dieser Sonne der orientalischen Nächte ›und dein will ich sein für alle Zeiten!‹ Indem sie dies ausrief, nahte sich ihr der Fremde von Gefühlen bewegt, deren wahre Natur wohl kein Sterblicher je zu enthüllen vermöchte. Eben dieser Moment aber war es, in welchem eine ganz geringfügige Naturerscheinung das Los des Mädchens von Grund auf verändern sollte. Eine düstere Wolke hatte sich nämlich vor den Mond geschoben, so als raffte der schon ferne Sturm in grimmiger Eile noch die letzte Falte seines entsetzlichen Gewandes zusammen, um sich danach für immer von dannen zu trollen.
    Des Fremden Blick flammte plötzlich auf, und ruhte auf der lieblichen Gestalt mit einem Ausdruck, in dem sich Grausamkeit mit Liebe paarte. Und er wies zu jener neuen Finsternis, indem er ausrief: ›NUR BEI DIESEM LICHTE SOLLST DU DIE MEINE SEIN! – Reich mir die Hand und komm mit mir für Zeit und Ewigkeit!‹ Erschaudernd unterm Drucke solcher Hand versuchte Immalee von jenen Zügen den Sinn der dunklen Worte abzulesen, doch blieb ihr alles Dunkel, und sie spürte mit einem Mal das Wachsen der Gefahr mit solcher Angst, daß sie sich plötzlich losriß. – ›So leb denn wohl in Zeit und Ewigkeit!‹ Der Fremde rief’s und eilte in die Nacht.
    Das vor innerer Aufgewühltheit und vor Entsetzen vergehende Mädchen war alsbald besinnungslos zusammengesunken und lag nun auf dem Sand des zu der Tempelruine führenden Pfades niedergestreckt. Der Fremde kam zurück, nahm die Leblose in seine Arme und hob sie empor. Des Mädchens dunkles Haar hing zu Boden, als trüge der Helfer als ein Fahnenträger das Banner der geschlagenen Armee. Und jene Arme, die die Erde streiften, schienen seine Hilfe zu erflehen und dennoch zu verschmähen. Des Mädchens Wange lag ihm an der Schulter, bleich und kalt.
    ›Ist sie denn tot‹, so sprach er vor sich hin. ›Wohlan, es sei – so laßt dahin sie fahren – so laßt sie alles werden, nur nicht mein !‹ Er warf die stumme Bürde auf den Sand – und schritt hinweg auf Nimmerwiederkehr.«

NEUNZEHNTES KAPITEL
    Que donne le monde aux siens plus souvent
    Echo Vent
    Que dois-je vaincre ici, sans jamais relach er,
    Echo la chair,
    Qui fit le cause des maux, qui me sont survenus,
    Echo Venus.
    Que faut dire apres d‹une teile infidelle.
    Echo Fi d’elle.
    Magdaleniade, von Pater Pierre de St. Louis
     
    »Es war drei Jahre nach jenem denkwürdigen Abschied, daß eines Abends die Aufmerksamkeit einiger spanischer Kavaliere, die eben auf einem der öffentlichen Plätze Madrids lustwandelten, durch eine

Weitere Kostenlose Bücher