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Melmoth der Wanderer

Melmoth der Wanderer

Titel: Melmoth der Wanderer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles R. Maturin
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kein Ohr besaß ›Senor, ich will nicht hoffen, daß Ihr Persönlichkeiten durcheinandermengt, die zwar die Ehre haben, aufs engste miteinander verbunden zu sein und doch so himmelweit voneinander getrennt sind wie der Satan von seinen Handlangern. Selbst Ihr, Senor, der Ihr als ein strenggläubiger und eingefleischter Katholik den Menschenfeind zutiefst verabscheuen müßt, selbst Ihr habt oft genug als sein Handlanger fungiert, und wäret doch ein wenig gekränkt, wollte Euch jemand darum gleich für den Leibhaftigen ansehen.‹
    Bei solchen Worten schlug Don Francisco ein Kreuz um das andere über sich und schwur Stein und Bein, nie und nimmer dem Teufel Handlangerdienste geleistet zu haben.
    ›So wagt Ihr wirklich, dies zu sagen?‹ fragte der sonderbare Besucher in einem Flüsterton, welcher in nichts der Unverschämtheit solcher Frage entsprach, und zog seinen Stuhl näher an den verblüfften Gesprächspartner heran. ›So meint Ihr also wirklich und im Ernst, Ihr hättet nie den rechten Weg verlassen – Ihr hättet nie der Unzucht nachgegeben, dem Hasse nicht, der Bosheit oder Rachsucht? – Und hättet stets das Gute nur getan, hingegen alles Böse unterlassen? – Und hättet niemand übers Ohr gehauen, und niemals Euren fetten Vorteil aus des Schuldners jammervoller Not gezogen? – Ich aber sage Euch: Wann immer Ihr der rohen Leidenschaft Euch hingegeben, der Unkeuschheit und schmutzigen Begier, wann immer Ihr mit unbedachtem Wort ein Herz getroffen, ein Gemüt verstört habt, mit Seelenqual die Stunden ihm beschwert habt, statt ihnen Freudenschwingen zu verleihn, – wann immer Ihr die Tränen Eures Nächsten zum Fließen brachtet statt sie fortzuwischen von jenem Auge, das um so viel lieber Euch zugelächelt, hättet Ihr’s gestattet, – wann immer Ihr dergleichen auch getan, so seid dem Teufel Ihr zur Hand gegangen. Wohl zehnmal mehr denn all die armen Wichte, die da von abergläubischem Entsetzen getrieben waren, jenen Pakt zu schließen, der sie am Brandpfahl irdischer Gerichte weit schrecklicheren Flammen überliefert, als in der sogenannten Hölle brennen! Der Feind des Menschen!‹ fuhr der Sprecher fort ›ach, welch absurder Name für den großen Lichtbringer, der da aus dem Himmel fiel! Des Menschen größter Feind, es ist der Mensch! Und fragte er sich ehrlich, wem da rechtens der Name eines Menschenfeinds gebührt, er müßte an die eigne Brust sich schlagen, bis ihm das eigne Herz die Antwort gibt!‹
    Die Aufgewühltheit, mit welcher der Fremde dies hervorgestoßen, hatte sogar den trägen und in seiner Beschränkung festgelegten Geist seines Zuhörers aufgerüttelt. Dieser beeilte sich zunächst voll bebenden Eifers, jedes unmittelbare oder auch nur indirekte Zusammenwirken mit den Mächten des Bösen abzuleugnen, ließ sich aber dann doch zu dem Eingeständnis herbei, daß er deren Versuchungen nur zu oft nachgegeben, aber in aller Verirrung stets in die Macht der Kirche und die Fürbitte der Heiligen sein Vertrauen gesetzt habe.
    Der Fremde (obschon er dieser Einräumung mit eher grimmigen Lächeln zugehört) schien sich seinerseits für die Hitze, in welche seine Rede ihn versetzt habe, bittend, Don Francisco möge in derselben ein Zeichen der Anteilnahme erblicken, der Anteilnahme an allen die Seele betreffenden Dingen. Diese vielversprechende Einleitung wurde indes von keinerlei Versuch gefolgt, die Konversation weiterzuführen. Die beiden Gesprächspartner schienen einander nicht näherkommen zu können, bis der Fremde abermals auf jene sonderbare Unterhaltung und die ihr folgende Erzählung anspielte, deren Ohrenzeuge er geworden war. ›Senor‹, setzte er in einem Ton fort, dessen feierlicher Ernst den Zuhörer trotz aller Müdigkeit aufs tiefste beeindruckte ›Senor, ich bin mit den Umständen vertraut, die mit jener außergewöhnlichen Person zusammenhängen, welche Tag für Tag Walbergs Elend beobachtet und Nacht für Nacht dessen Gedanken, die nur mir und ihm bekannt waren, in Versuchung geführt hat. Und ich darf in der Tat, ohne eitel oder anmaßend zu erscheinen, von mir behaupten, alle Einzelheiten im Leben jenes Versuchers ebenso gut zu kennen wie dieser selbst, so daß Eure in bezug auf dessen Person etwa geweckte Neugierde von niemandem so reichlich und zuverlässig befriedigt werden könnte wie von mir.‹
    ›Tausend Dank, Senor‹, versetzte Don Francisco, welchem, er wußte selber nicht warum, ob der Stimme und des Gesichtsausdrucks solchen Besuchers das Blut

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