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Melmoth der Wanderer

Melmoth der Wanderer

Titel: Melmoth der Wanderer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles R. Maturin
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in den Adern gefrieren wollte. »Tausend Dank, aber meine Wißbegier wurde schon durch das bisher Gehörte gänzlich zufrieden gestellt.‹
    Dieweil er dies sagte, erhob er sich von seinem Schemel, hoffend, mit solcher Andeutung dem Störenfried vor Augen zu führen, daß dessen Gegenwart nicht länger erwünscht sei. Derselbe blieb indes ungeachtet solchen Winks auf seinem Sessel sitzen, um erst nach einiger Zeit, wie aus einem Traum auffahrend, auszurufen: ›Nun denn – wann treffen wir zwei wieder zusammen?‹ Und auf Don Franciscos Schweigen antwortend, fügte er hinzu: ›So hört denn, Don Francisco di Aliaga: Unser nächstes Treffen steht Euch bevor schon in der nächsten Nacht!‹
    Und indem er diese Worte sprach, verharrte er noch immer an der Tür und hielt seinen Blick, welcher in der Finsternis dieser armseligen Kammer stärker und stärker zu glühen begann, unverwandt auf Aliaga geheftet. Dieser, gleichfalls stehend, starrte seinen seltsamen Besucher noch in dumpfer Verwirrung an, als derselbe, sich plötzlich von der Tür abwendend, noch einmal auf den Verstörten zutrat und in gedämpftem Ton raunte: Verspürt Ihr Lust zu sehen, wie es denen ergeht, die sich voll Wißbegier vermessen, dem Leben jenes rätselvollen Wesens auf seine Spur zu kommen? Die da wagen, den Schleier anzurühren, aufzuheben, der dieses Los in Ewigkeit verhüllt? Verspürt Ihr Lust darauf, so kommt und sehr!‹ Unter diesen Worten wies er auf jene Tür, hinter welche, wie Don Francisco wohl wußte, sich jener Fremdling zurückgezogen, den er am voraufgegangenen Abend in dem Gasthof getroffen und der ihm die Geschichte von Guzmans Familie (oder vielmehr Verwandtschaft) anvertraut hatte. Sie betraten das Gemach. Der Fremde hielt eine Kerze empor, deren schwaches Licht auf ein armseliges Lager fiel, auf welchem das hingestreckt lag, was noch vor wenigen Stunden ein lebender Mensch gewesen war.
    ›Seht her!‹ gebot der Fremde. Und Aliaga erkannte schaudernd in dem toten Körper den Gast, mit dem er heute noch gesprochen.
    ›Nur zu, nur weiter, seht ihn Euch doch an!‹ befahl der Fremde, und er zog das Laken hinweg, das jenem Schläfer, der nun in seinem letzten Schlummer lag, als einzige Zudecke gedient. Und nachdem er noch einmal bedeutungsvoll auf den Leichnam hingewiesen, als wollte er damit die Gefährlichkeit aller unbedachten Neugier andeuten, wiederholte er: ›Wir sehn uns wieder in der nächsten Nacht!‹ Dies gesagt verließ er die Kammer.«

NEUNUNDZWANZIGSTES KAPITEL

    Kaleso n de to jilhsai ×
    C alepon to mh jilhsai ×
    Calepwteron de pantwn
    apotn g Canein jilonta. [22]

     
    »Don Francisco blieb fast den ganzen nächsten Tag im Sattel. Das Wetter war angenehm, und die Diener, die dem Fürbaßreitenden von Zeit zu Zeit mit ihren großen Sonnenschirmen Schatten spendeten, trugen ein übriges zu der Erträglichkeit solcher Reise bei. Zufolge seines langen Aufenthaltes in fremden Ländern war Don Francisco der Reiseroute völlig unkundig und deshalb gezwungen, sich auf einen Führer zu verlassen. Und dank der Verläßlichkeit der spanischen Fremdenführer, welche ja so sprichwörtlich ist wie der Karthager Vertragstreue, fand Don Francisco sich gegen Abend, inmitten eines felsigen Irrgartens wieder.‹ Unverweüt sandte er seine Diener nach allen Richtungen aus, auf daß dieselben jenen Saumpfad wiederfänden, welchem man weiterhin zu folgen hatte. Auch der Führer machte sich aus dem Staube, so schnell die Beine seines klapprigen Maulesels ihm dies erlaubten, und so fand Don Francisco, da seine Begleiter sich nimmer zeigen möchten, sich in völliger Einsamkeit vor.
    So verhängte er denn zunächst die Zügel seines Maultiers und sandte die mannigfaltigsten Anrufungen zu der Allerheiligsten Jungfrau empor. Dieweil er aber feststellen mußte, daß dies von keinerlei Nutzen gefolgt ward, schlug unser Reitersmann schließlich dem Maultier die Sporen in die Weichen und galoppierte einen felsigen Hohlweg hinan, darin die Eisen seines Reittieres mit jedem Huf schlag ein wahres Feuerwerk an Funken aus dem Boden spritzen ließen, und das granitne Echo Don Francisco nicht anders erbeben machte, als wäre auf Schritt und Tritt eine ganze Horde von Wegelagerern hinter ihm her. Das Maultier, dergestalt angetrieben, schoß in gestrecktem Galopp voran, bis sein Reiter, ermüdet wie er war und wohl auch solcher Schnelligkeit nicht länger gewachsen, beim Hufschlag eines mehr und mehr aufrückenden Verfolgers die Zügel anzog.

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