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Melmoth der Wanderer

Melmoth der Wanderer

Titel: Melmoth der Wanderer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles R. Maturin
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katholisch werde, soweit man’s durch die Taufe werden kann, so daß, wenn meine Ahnung sich erfüllt, ich ruhig sterben kann in der Gewißheit, daß weiterhin ein Wesen hier auf Erden für dich als seinen Vater beten wird, und daß dies Beten auch Erhörung finde!‹
    Melmoth hörte all dies mit Empfindungen an, über welche wir besser den Mantel des Schweigens breiten wollen, anstatt sie lang und breit zu erörtern. Immerhin versprach er in Ansehung so feierlicher Beschwörung, daß dies Kind die Taufe empfangen solle. Und er fügte mit einer Betonung, welche zu verstehen Isidora in ihrem Entzücken ob solchen Zugeständnisses nicht die Zeit fand, hinzu, daß es ein so rechter Christ werden solle, wie denselben allein die Bräuche der Katholischen Kirche hervorbrächten. Und dieweil er noch so manche bittere Andeutung machte, betreffend die Unwirksamkeit allen äußerlichen Brimboriums, das Unvermögen allen Pfaffenklüngels und das schandbare, ungehemmte Roßtäuschergewerbe, dem dies Pfaffengesindel unter jedem Vorwand obliege, – dieweil er solche geistliche Sippschaft mit allem satanischen Spott bloßstellte in einem Geist, dem’s vom Lächerlichen zum Entsetzen nur ein Schritt war, dem Harlekin gleich, der in der Hölle die Furien karessiert, – dieweil Melmoth sich also gebärdete, wiederholte Isidora unablässig ihre inständige Bitte, daß ihr Kind, falls es die Mutter überlebte, der Heiligen Taufe teilhaft, – das es ein Christ werden solle.
    Dem stimmte Melmoth zu, indem er mit erschreckend leichtfertigem Sarkasmus fortfuhr: ›Und ein Muselmane dazu, solltest du noch andern Sinnes werden, – kurz, ein gesalbtes Mitglied jedes Aberglaubens, den es da anzunehmen dich gelüstet! Nur bitt’ ich dich, laß mich’s beizeiten wissen! Die Pfaffen jeder Art sind leicht zu haben, die Zeremonien am Markt zu kaufen. Nur, wie gesagt, laß mich’s beizeiten wissen – sobald du selber dir im klaren bist.
    ›Dann werd’ ich es dir nicht mehr sagen können‹, sprach Isidora mit einer Überzeugungskraft, welche sich von Melmoth’s zersetzender Leichtfertigkeit nicht weniger unterschied als ein frostiger Wintertag von der Glut eines launenhaften Tages im Hochsommer, welcher die Strahlen der Sonne mit denjenigen des Blitzes zu vermengen liebt. ›Melmoth, dann werd’ ich es dir nimmer sagen können!‹
    In eben dem Moment, da Isidora die kalten Tränen der Verzweiflung weinte, nicht wagend, den Geliebten zu bitten, dieselben hinwegzuwischen, ertönten plötzlich die Glocken des in der näheren Umgebung gelegenen Klosters, wo man eine Messe für die Seele eines dahingegangenen Ordensbruders zelebrierte. Diesen Augenblick machte Isidora sich zunutze, dieweil ja nunmehr sogar die leere Luft in den Zungen der Religion zu reden schien. So vermeinte dies junge Weib, nun auch deren ganze Macht auf diesen rätselvollen Mann wirken zu lassen, durch dessen Gegenwart sie gleicherweise mit Entsetzen und Liebe erfüllt wurde. ›Horch!‹ rief sie ›lausche jener Stimme!‹ Getragen und ruhevoll kam dies Geläut heran, als setze jenes Gefühl sich in Töne um, welches uns die Nacht allzeit einflößt, – als würde das Losungswort weitergerufen von Posten zu Posten, dieweil nur mehr der ruhelose, unablässig grübelnde Geist zum ›Hüter der Nacht [24] ‹ bestellt ist.
    ›So hör doch‹, wiederholte Isidora ›wie könnten solche Töne jemals lügen?   Ach, nur im Glauben liegt so tiefe Wahrheit! Die tiefste Leidenschaft ist Schall und Rauch, wird sie geheiligt nicht von jenem Glauben an Gott und an die Ewige Seligkeit. Ein Herz, das seinen Gott nicht liebt, wie könnt’ es für einen Menschen je in Liebe schlagen? Wer ohne Gott ist, ist auch ohne Herz! – O mein Geliebter, wolltest du mir nicht an meinem Grabe solche Klänge wünschen, die mir den Frieden brächten – und auch dir ? Und kannst du’s nicht, versprich mir bloß noch dies, daß du dein Kind zu meinem Grabe führen und dulden wirst, daß es die Inschrift lese: ›Hier ruht in Christo und in Ewigkeit ...‹ Und seinen Tränen wirst du jenen Trost des Glaubens nicht verweigern, der auch mir das Leid erträglich machte hier im Leben, und noch die Sterbestunde mir verklärte! Versprich mir nichts als dies: daß du dem Kinde nicht wehren wirst, der Mutter Grab zu sehen! Verstör ihm seine junge Seele nicht mit deinen schlangenzüngigen Sophismen und jener brennenden Beredsamkeit, die alles nur zerstört und nichts erleuchtet! Denn fehlt’s an Tränen

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