Melmoth der Wanderer
gewesen, – hier in den Mauern der Inquisition, – in dieser meiner Zelle!‹ Der Gottesmann bekreuzte sich unter allen Anzeichen äußersten Entsetzens und erwartete, dieweil draußen der Wind mit hohlem Stöhnen den langen Gang durchseufzte, daß jetzt und jetzt die Tür, an der solcher Lufthauch rüttelte, aufgehen und der Wanderer darin sich zeigen werde.
›Mein Vater, ich bin von vielen Träumen heimgesucht worden‹, antwortete Isidora auf die diesbezügliche Frage des Paters, indem sie den Kopf schüttelte. ›Und viele, viele haben mich genarrt, – allein, dies ist kein Traum gewesen. Ich habe Melmoth in der letzten Nacht gesehen. Mein Vater, er ist die ganze Nacht hier gewesen, – er machte mir Versprechungen, – er ermunterte, ja er beschwor mich, Freiheit und Sicherheit von ihm anzunehmen, Leben und Glückseligkeit. Er sagte mir, und ich konnte keine Zweifel daran hegen, daß er meine Entweichung mit den nämlichen Mitteln ins Werk zu setzen vermöchte, welche ihn in den Stand gesetzt, hier einzudringen. Und er bot mir an, er werde mit mir auf jenem Indischen Eiland leben, – auf jenem ozeanumrauschten Paradiese, welches so weitab aller menschlichen Ansiedelung und Drangsalierung liegt. Er bot mir an, mich ganz allein zu lieben und dies für alle Zeit. – So schenkte ich ihm denn Gehör. – Denn, ach, mein Vater, ich bin ja noch so jung, und all das Leben und die Liebe, sie klangen ja so süß in meinem Ohr, dieweil ich auf die Kerkermauern starrte und an den Tod auf diesen Steinen dachte! Doch – da er die entsetzliche Bedingung mir genannt, daran er die Erfüllung des Gelöbnisses geknüpft, – da er von mir verlangte, daß ...‹
Die Stimme versagte ihr mit dem Hinschwinden ihrer Kräfte, und sie brachte keine Silbe mehr hervor. ›Tochter‹, sprach da der Priester, indem er sich über ihr Lager neigte, ›Tochter, ich beschwöre dich bei dem Bildnis dessen, der da auf diesem Kruzifix dargestellt ist, das ich an deine todgeweihten Lippen halte, und bei deiner Hoffnung auf Erlösung, welche ja von der Wahrhaftigkeit abhängt, die du mir entgegenbringst, mir, deinem Freund und Seelenhirten, – nenne mir die Bedingung, welche dein Versucher dir gestellt hat!‹
›So gelobet mir Absolution für die Wiederholung jener Worte, dieweil ich wünschen muß, daß nicht mein letzter Odem im Aussprechen dessen verhauchen möge, so Ihr mich jetzt – zu sagen zwingt.‹
› Te absolvo‹ , etc. sagte der Priester und brachte sein Ohr ganz nahe an die Sterbende, um dies Bekenntnis zu vernehmen. Da er es aber vernommen hatte, fuhr er empor wie von einem Schlangenbiß und wurde, nachdem er sich in die äußerste Ecke der Zelle retiriert hatte, sichtbarlich vom Entsetzen geschüttelt.
›Mein Vater, Ihr habt mir Absolution zugesagt‹, sprach die Büßerin.
Jam tibi dedi, moribunda ‹, versetzte der Priester, welcher in seiner Gedankenverwirrung in die Amtssprache seiner Religion verfiel.
›Moribunda, in der Tat!‹ wiederholte die Dulderin, indem sie auf ihren Strohsack zurücksank. ›Vater, lasset mich eines Menschen Hand in der meinen fühlen, dieweil ich dahinscheide!‹
›Bete zu Gott, Tochter!‹ sprach der Priester, indem er ihr das Kruzifix auf die kalten Lippen drückte.
›Ich habe Seine Religion geliebt‹, sagte die Büßerin, indem sie dasselbe innig küßte. ›Ich habe sie geliebt, noch ehe ich sie gekannt, und so muß wohl Gott selbst mein Lehrmeister gewesen sein, dieweil ich ja keinen anderen hatte! Oh!‹, rief sie im Tone jener tiefsten Überzeugung, welcher noch des Sterbenden Herz erbeben machen muß, und dessen Widerhall (wollte Gott!) auch jedes lebende durchbohren sollte, – ›Oh, daß ich doch niemanden denn Gott geliebet hätte, – wie tief wäre dann mein Seelenfriede gewesen, – wie verklärt mein Hinscheiden! – Und nun – nun verfolgt mich sein Bild bis an den Rand jenes Grabes, darein ich mich stürze, nur um ihm zu entgehen!‹
›Meine Tochter‹, sprach der Gottesmann, während ihm die Tränen unaufhaltsam über die Wangen rannen, – ›meine Tochter, nun gehst du ein in die Ewige Seligkeit, – der Kampf war ein schrecklicher und kurzer, allein, nun ist der Sieg dir ja gewiß, – schon werden die Harfen gestimmt zu einem neuen Liede, jawohl, zu einem Willkommensgesang, und die Palmengirlanden, sie wehen schon für dich im Paradiese!‹
›Im Paradiese!‹ seufzte Isidora mit ihrem letzten Hauche. – ›Ach, ob auch er dort sein
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