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Melmoth der Wanderer

Melmoth der Wanderer

Titel: Melmoth der Wanderer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles R. Maturin
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und fühlte ihren Schwall, vernahm ihr Tosen. Er ward verschlungen, dann emporgespült, und griff nach Halt, doch fand er keinen vor. Da schoß ihm’s durch den Kopf, hinabzutauchen, am Grund irgendwo sich festzuklammern und also in Sicherheit zu bringen. Des Jüngsten Tages Posaunen gellten ihm ins Ohr, vor seinen Augen blitzte es von Feuer, »durch Feuer und durch Wasser fuhr er hin« und wußte dann nichts mehr. Nach Tagen erst, in seinem Bett erwachend, gewahrte er die alte Haushälterin und murmelte nur kraftlos vor sich hin: »Welch fürchterlicher Traum!« Danach sank er zurück in seine Schwäche und seufzte noch: »Wie hat er mich erschöpft!«

FÜNFTES KAPITEL
    »Wie ich vernommen habe«, so sprach der Junker,
    »gibt’s von der Hölle keine Retention. «
    Cervantes

     
    Nach diesem Stoßseufzer lag Melmoth für mehrere Stunden still da, die Erinnerung kehrte langsam wieder zurück, seine Sinne wurden nach und nach klarer, der alles beherrschende Verstand nahm den Thron, von welchem er schon abgedankt hatte, wieder ein.
    Wie aus dem Bericht der Haushälterin hervorging, war nur eine Person aus dem Wrack gerettet worden und hatte nun unter Melmoths Dach eine Bleibe gefunden, geschwächt und am ganzen Körper zerschlagen wie er krank vor Erschöpfung und ob der erlittenen Schrecken. Das erste, was der Fremdling nach Wiedererlangen seines Bewußtseins getan, sei übrigens die Bitte gewesen, man möge doch nach einem katholischen Geistlichen senden, und seine erste zusammenhängende Rede hatte der Freude darüber Ausdruck verliehen, sich in einem Land zu befinden, wo er der Wohltaten seiner eigenen Kirche teilhaftig werden könne.
    »Ist Pater Fay im Hause?« fragte Stanton in der stillschweigenden Voraussetzung, daß dieser den Kranken wohl täglich besuche. »Wenn ja, so führ ihn bitte zu mir.«
    Pater Fay machte Melmoth, gleich nachdem er das Krankenzimmer des Fremden verlassen hatte, seine Aufwartung.
    »Ich danke Ihnen sehr für den Beistand, den Sie dem unglücklichen Mann leisten, der, wie ich höre, unter meinem Dach Aufnahme gefunden hat.«
    »Dies ist mein Amt.«
    »Sie wissen nicht, woher er kommt?«
    »Er stammt aus Spanien«, erwiderte der Priester.
    Der Geistliche ging nun daran, dem Frager die näheren Umstände des Schiffbruches zu berichten. Es war ein englisches, nach Wexford oder Waterford bestimmtes Handelsschiff gewesen, das aber eine große Zahl Passagiere mitgeführt hatte. Durch die widrigen Winde war es auf die Küste von Wicklow zugetrieben worden und hier in der Nacht auf den 19. Oktober infolge der undurchdringlichen Finsternis, welche mit dem Orkan hereingebrochen war, auf ein verborgenes Riff aufgelaufen und gescheitert. Sowohl Seeleute als auch Passagiere hatten dabei samt und sonders den Tod gefunden, bis auf eben diesen Spanier. Weiterhin sei es seltsam, daß ausgerechnet auch er dem Hausherrn das Leben gerettet habe. Um das eigene kämpfend, habe er Melmoth von dem Felsen, den dieser erklommen, herabstürzen sehen und, obschon selbst am Ende seiner Kräfte, deren letzte Reste zusammengerafft, um das Leben desjenigen zu retten, der als Retter gekommen und nun, so mutmaßte der Schiffbrüchige, infolge solcher Hilfsbereitschaft selber in Todesgefahr geraten war. Bei Morgengrauen habe man beide am Strand gefunden, steif und in tiefer Ohnmacht einander umklammert haltend. Als man Anstalten getroffen, sie wegzutragen, hätten sie noch Spuren von Leben gezeigt, weshalb man auch den Fremden in Melmoths Haus geschafft habe.
    Der Spanier erwies sich als ein Mann von etwa dreißig Jahren, von edlem Äußeren und einnehmenden Manieren, und die dem Spanier angeborene Würde wurde noch durch die tiefen Schatten der Schwermut gehoben, welche über allem lag. Sein Englisch war vortrefflich, was er, von Melmoth daraufhin befragt, mit dem Umstand begründete, er habe es in einer peinvollen Schule erlernt.
    Melmoth bemerkte, daß sein Gast nur unter offenkundigen Schmerzen sprach. Der Fremde bekannte denn auch alsbald, daß er, obwohl ohne ernstliche Verletzungen davongekommen, dennoch am ganzen Körper so zerschlagen und zerschunden sei, daß ihm jeder Atemzug schwer genug falle, und es auch mit dem Gebrauch der Gliedmaßen nicht zum Besten stehe. Am Ende seiner Schilderung all der Beschwernisse während des Orkans, der Schrecknisse des Schiffbruches und nachfolgenden Kampfes um das Leben, rief er in spanischer Sprache aus: »Allmächtiger! Warum hast du den Jonas von den Wogen ans Land

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