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Melmoth der Wanderer

Melmoth der Wanderer

Titel: Melmoth der Wanderer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles R. Maturin
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endlich wurde ich durch den Türspalt der folgenden Zeilen habhaft: ›Alles ist aufs beste geordnet – ich habe den Jüden mit dessen eigenen Bedingungen festgenagelt. Er gibt vor, meiner wahren Stellung und meines (künftigen) Reichtums unkundig zu sein, doch weiß er sehr wohl darum und wird es deshalb nicht wagen, mich zu betrügen. Meine beste Sicherheit ist die Heilige Inquisition, welcher ich ihn von einem Moment auf den anderen überantworten kann – freilich auch, dies muß ich bekennen, meine einzige . Es gibt da einen Schurken in Deinem Kloster, welcher darin Asyl gesucht, weil er einen Vatermord begangen hat. Er wird, im Falle man ihm genug dafür bezahlt, vor nichts zurückschrecken: für Geld wird er Deine Befreiung ins Werk setzen, für Geld wird er Dich in Deiner Zelle erdrosseln. Er neidet noch dem Judas jene dreißig Silberlinge, um die einstmals der Weltheiland verkauft wurde. Seine eigene Seele mag man ruhig um die Hälfte verkaufen. Solcherart ist das Werkzeug beschaffen, dessen ich mich bedienen muß. –
    Teuerster Alonzo, zittere nicht ob solcher Worte. Laß Deine Gewohnheiten nicht über Dein eigentliches Wesen siegen. Vertraue Deine Befreiung meinen Händen und auch jenen Werkzeugen an, derer ich mich nun einmal bedienen muß. Und zweifle nicht länger daran, daß die Hand, welche diese Zeilen niederschreibt, bald die eines in Freiheit lebenden Bruders drücken wird.‹
    Wieder und wieder überflog ich diese Zeilen in der Einsamkeit meiner Zelle, jetzt, da die Aufregung des Wartens, darauf, das Verbergen und erstmalige Lesen hinter mir lagen, und mannigfache Zweifel und Ängste wie düstere Wolken sich um mich zu versammeln begannen. Schließlich begab ich mich aufs neue hinunter, um an jenem Grabentor, dem Tor meiner Hoffnung – zu wachen. Auf dem Weg über den Korridor begegnete ich für Sekunden einer Gestalt von höchst abstoßendem Äußeren. Ich wich zur Seite, weil ich es mir zum Grundsatz gemacht hatte, mit der Bruderschaft, soweit nicht die Hausordnung mich dazu zwang, auf keine Weise in Berührung zu kommen. Dennoch berührte jener, da er an mir vorüberging, meine Kutte und warf mir einen bedeutsamen Blick zu. Noch im selben Augenblick hatte ich begriffen, daß dies die Person war, auf welche Juan in seinem Brief angespielt hatte. Und nur wenig später, als ich zum Garten hinabgestiegen war, fand ich dort jene Notiz vor, welche mir meinen Verdacht bestätigte. Sie enthielt die folgenden Worte: ›Ich habe mir das Geld verschafft – ich habe mich unseres Helfers versichert. Er ist ein Teufel in Menschengestalt, doch stehen seine Entschlossenheit und sein unerschrockener Sinn außer Frage. Ergehe Dich morgen abend im Kloster – jemand wird dabei Deine Kutte berühren –, ergreife sein linkes Handgelenk, denn dies ist das vereinbarte Zeichen. Sollte er zögern, so flüstere ihm bloß das Wort ›Juan‹ zu, und er wird mit ›Alonzo‹ antworten. Dies ist der Mann, an den Du Dich wenden sollst. Er wird Dir von jedem Schritt Mitteilung machen, welchen ich in Deiner Sache unternommen habe.‹
    Nachdem ich diese Zeilen gelesen hatte, kam ich mir wie ein Automat vor, der, einmal aufgezogen, gewisse Funktionen in aller Unaufhaltsamkeit seiner Mechanik auszuführen gezwungen ist. Die so überstürzt vorwärts drängende Energie von Juans Schritten schien auch die meinen ganz ohne Ansehung meines Einverständnisses anzutreiben. So wandelte ich denn am nächsten Abend in dem Kloster umher. Ich hielt meine Kutte und meine Augen in acht. Jedermann hätte bei meinem Anblick vermeint, mich in tiefem Meditieren versunken zu sehen, und dies war ich ja auch, doch erwog ich bei mir ganz andere Dinge als jene, mit welchen die anderen mich befaßt glaubten. Wie ich so dahinschritt, streifte jemand meine Kutte. Ich zuckte zusammen, wurde aber zu meiner Bestürzung von einem Mönch angeredet, welcher mich um Vergebung dafür bat, daß der Ärmel seiner Kutte die meine berührt habe. Nach weiteren zwei Minuten berührte ein anderer mein Gewand. Ich spürte den Unterschied deutlich, es lag etwas Vertrauliches, Verschwörerisches in diesem Zugriff. Jener griff nach meiner Kutte, als fürchtete er nicht, erkannt zu werden und hatte es nicht nötig, sich zu entschuldigen. Wie kommt’s, daß uns im Leben das Verbrechen mit so furchtlosem Zugriff sich naht, dieweil das Gewissen nur zitternd den Saum unseres Gewandes berührt? Dies ging mir durch den Kopf, da ich mit zitternden Fingern des anderen

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